Nachfolgend finden Sie eine
Auswahl der wichtigsten in der vergangenen Woche in die Datenbank
DNotI-Online-Plus eingestellten Gerichtsentscheidungen,
Arbeitshilfen und Links.
Da instanzgerichtliche
Entscheidungen oftmals erst längere Zeit nach Verkündung
rechtskräftig werden oder uns erst mit einiger Verspätung bekannt
werden, weicht das Entscheidungsdatum ggf. deutlich vom Versanddatum
dieses Newsletters ab. Wir bitten insoweit um Verständnis.
Entscheidung der Woche
BGB §
1020 S. 2
(Kein) Erstattungsanspruch des Sondereigentümers gegen den
Dienstbarkeitsberechtigten bzgl. der Instandhaltungsrücklage
Ist das
Sondereigentum mit einer Grunddienstbarkeit belastet, kann der
Sondereigentümer von dem Dienstbarkeitsberechtigten, der auf der
Fläche des belasteten Sondereigentums eine Anlage hält (hier:
Tiefgaragenstellplätze), die von ihm an die
Wohnungseigentümergemeinschaft auf die Instandhaltungsrücklage
erbrachten Zahlungen nicht erstattet verlangen.
BGH, Urt. v. 18.6.2021 – V ZR 146/20
Immobilienrecht/allg. Zivilrecht
BGB §§ 910 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2
Selbsthilferecht: Auch bei drohendem Absterben eines Baums darf
Überhang von Zweigen abgeschnitten werden
Das Selbsthilferecht
nach § 910 Abs. 1 BGB ist – vorbehaltlich naturschutzrechtlicher
Beschränkungen eines Rückschnitts – nicht deshalb
ausgeschlossen, weil durch die Beseitigung des Überhangs das
Absterben des Baums oder der Verlust seiner Standfestigkeit
droht.
BGH, Urt. v.
11.6.2021 – V ZR 234/19
Erbrecht
BGB
§§ 1940, 1968, 2305
Grabpflegekosten beim Pflichtteilsanspruch nicht als
Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen
1. Grabpflegekosten
sind keine Nachlassverbindlichkeiten im Sinne von § 1968 BGB.
2. Eine in einer letztwilligen Verfügung enthaltene Auflage des
Erblassers an die Erben zur Grabpflege führt nicht zu einer
Kürzung eines Pflichtteilsanspruchs.
3. Zur Berechnung des Zusatzpflichtteils gem. § 2305 BGB.
BGH, Urt. v.
26.5.2021 – IV ZR 174/20
Gesellschaftsrecht
GmbHG
§§ 4a, 53, 69 Abs. 2
Zulässigkeit der Sitzverlegung einer GmbH im Liquidationsstadium
Im Grundsatz ist die
Sitzverlegung einer GmbH – vorbehaltlich tatsächlicher
Anhaltspunkte für Rechtsmissbräuchlichkeit im Einzelfall – auch
im Liquidationsstadium zulässig (entgegen KG 22 W 63/17).
OLG Celle, Beschl.
v. 26.4.2021 – 9 W 51/21
IPR und ausländisches
Recht
EGBGB
Art. 6, 10 Abs. 3
Rechtswahl umfasst auch den Vatersnamen nach russischem Recht
1. Die Rechtswahl
nach Art. 10 Abs. 3 EGBGB erfasst auch den Vatersnamen nach
russischem Recht.
2. Der Vatersname nach russischem Recht verstößt nicht gegen den
Grundsatz des ordre public (Art. 6 EGBGB).
OLG Hamburg, Beschl.
v. 11.3.2021 – 2 W 50/20
Öffentliches Recht
BauGB
§§ 127 ff., 133 Abs. 3; VwVfG NRW § 53
Erschließungsbeitragsrecht: Eintritt der Vorteilslage
1. Die Erhebung
eines Erschließungsbeitrags ist auch ohne die unter dem
Blickwinkel der Belastungsklarheit verfassungsrechtlich gebotene
Regelung einer zeitlichen Obergrenze jedenfalls nach mehr als 30
Jahren nach Eintritt der Vorteilslage in analoger Anwendung von
§ 53 VwVfG NRW i. V. m. dem Grundsatz von Treu und Glauben
unzulässig.
2. Ein Verständnis des Begriffs der Vorteilslage, nach dem diese
in jedem Fall erst dann eintritt, wenn die Erschließungsanlage
dem gemeindlichen Bauprogramm für die flächenmäßigen und
sonstigen Teileinrichtungen sowie dem technischen Ausbauprogramm
vollständig entspricht, wird dem aus dem Rechtsstaatsprinzip
abgeleiteten Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit
nicht gerecht.
3. Der Eintritt der Vorteilslage ist für das
Erschließungsbeitragsrecht dann anzunehmen, wenn eine dem
Grundsatz nach beitragsfähige Erschließungsanlage – für den
Beitragspflichtigen erkennbar – den an sie im jeweiligen Fall zu
stellenden technischen Anforderungen entspricht. Es ist unter
dem Blickwinkel der Erkennbarkeit ausreichend, wenn die
unmittelbar in der Erschließungsbeitragssatzung definierten
Herstellungsmerkmale erfüllt sind, eine zweckentsprechende
Anlagennutzung möglich ist, die Anlage aus Sicht eines
objektiven Betrachters endgültig fertiggestellt erscheint und
ein solcher nur durch das Studium des unveröffentlichten
Bauprogramms von der mangelnden Umsetzung Kenntnis erlangen
könnte.
4. Die 30jährige Höchstfrist für die Beitragserhebung seit
Eintritt der Vorteilslage wird durch den Erlass eines
Vorausleistungsbescheides nicht unterbrochen.
5. Wenn eine sachliche Beitragspflicht – wie etwa nach Ablauf
der 30jährigen Höchstfrist – endgültig nicht mehr entstehen
kann, entfällt mit Blick auf die gesetzliche Zweckbestimmung
einer Vorausleistung deren Rechtfertigungsgrund. Denn die
Abhängigkeit der Vorausleistung von der späteren Beitragspflicht
bewirkt, dass unbeschadet des § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB die
Vorausleistung das rechtliche Schicksal des endgültigen
Erschließungsbeitrags insofern teilt, als auch ihre
Rechtsgrundlage entfällt, sobald feststeht, dass eine
Beitragspflicht endgültig nicht entstehen kann.
OVG
Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 8.6.2021 – 15 A 299/20
|