Nachfolgend finden Sie eine
Auswahl der wichtigsten in der vergangenen Woche in die Datenbank
DNotI-Online-Plus eingestellten Gerichtsentscheidungen,
Arbeitshilfen und Links.
Da instanzgerichtliche
Entscheidungen oftmals erst längere Zeit nach Verkündung
rechtskräftig werden oder uns erst mit einiger Verspätung bekannt
werden, weicht das Entscheidungsdatum ggf. deutlich vom Versanddatum
dieses Newsletters ab. Wir bitten insoweit um Verständnis.
Entscheidung der Woche
BGB
§§ 917 Abs. 1, 1019
Unzulässige Benutzung des dienenden Grundstücks für Zwecke anderer
Grundstücke als des herrschenden; Voraussetzungen eines
Notwegerechts
a) Ein Notwegrecht
nach § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB kommt nicht in Betracht, wenn der
Eigentümer des verbindungslosen Grundstücks eine Zufahrt zu
diesem in zumutbarer Weise über ein anderes, in seinem Eigentum
stehendes Grundstück errichten kann; in diesem Fall kann das
Notwegrecht allenfalls befristet und längstens bis zur
Herstellung der anderweitigen Verbindung mit dem öffentlichen
Weg zugesprochen werden.
b) Erfordert die Errichtung einer Zufahrt zu dem
verbindungslosen Grundstück eine Befreiung von den Festsetzungen
eines Bebauungsplans und kommt in Betracht, dass der Eigentümer
einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf deren Erteilung hat,
ist es ihm grundsätzlich zuzumuten, diesen gerichtlich
durchzusetzen; ob eine solche Klage vor den Verwaltungsgerichten
hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, muss das Zivilgericht bei
der Entscheidung über das Bestehen des Notwegrechts in eigener
Zuständigkeit prüfen.
c) Ein durch eine Grunddienstbarkeit gesichertes Wegerecht
gewährt dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks einen
Vorteil i. S. v. § 1019 BGB nur für dieses, nicht aber für
weitere, in seinem Eigentum stehende oder von ihm genutzte
Grundstücke; eine Benutzung des dienenden Grundstücks auch für
Zwecke anderer Grundstücke als des herrschenden ist
grundsätzlich widerrechtlich (Bestätigung von Senat, Urteil vom
5. Oktober 1965 – V ZR 73/63, BGHZ 44, 171 und Urteil vom 6.
Juni 2003 – V ZR 318/02, WM 2004, 190).
BGH, Urt. v.
16.4.2021 – V ZR 85/20
Immobilienrecht/allg. Zivilrecht
BGB
§§ 177 Abs. 1, 179; WEG § 26 Abs. 1
Haftung des Bauträgers bei Handeln als vollmachtloser Vertreter für
die noch nicht entstandene Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
1. Vollmachtloser
Vertreter ist in entsprechender Anwendung von § 179 Abs. 1 BGB
auch derjenige, der im Namen einer noch nicht entstandenen
Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vertragliche Vereinbarungen
trifft.
2. Die Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis des anderen Teils
von der fehlenden Existenz einer vertretenen
Wohnungseigentümergemeinschaft führt nicht zu einem
Anspruchsausschluss nach § 179 Abs. 3 BGB.
(Leitsätze der DNotI-Redaktion)
LG Neuruppin, Urt.
v. 15.4.2021 – 2 O 32/21
Betreuungsrecht
BGB
§§ 167, 259, 666, 2027
Vorsorgevollmacht und Rechnungslegungspflicht eines Sohnes
1. Das eine
Rechnungslegungspflicht auslösende Auftragsverhältnis kann nicht
schon aus einer bloßen Bevollmächtigung als solcher abgeleitet
werden. Sie betrifft regelmäßig nur das rechtliche Dürfen nach
außen. Erforderlich ist die Einigung darüber, dass jemand für
einen anderen in dessen Angelegenheiten tätig wird und
pflichtgemäß tätig werden muss.
2. Der Grundsatz, wonach Ehegatten regelmäßig kein
Auftragsverhältnis untereinander begründen, gilt wegen des die
Ehe prägenden besonderen Vertrauensverhältnisses nicht pauschal
für andere Angehörigenbeziehungen. Daraus folgt für das
Verhältnis der Mutter zu dem von ihr bevollmächtigten Sohn indes
auch nicht umgekehrt bereits „automatisch“ ein
Auftragsverhältnis (nebst Rechnungslegungspflicht). Entscheidend
sind vielmehr alle Umstände des Einzelfalles.
3. Einigt sich eine Mutter mit ihrem erwachsenen, mit ihr nicht
im selben Haushalt lebenden Sohn darauf, dass, falls sie
irgendwann durch Krankheit oder Behinderung vorübergehend oder
dauerhaft selbst nicht mehr dazu in der Lage sein sollte, ihre
rechtlichen Angelegenheiten zu regeln und ihren Willen zu
äußern, der Sohn sich um die Regelung ihrer rechtlichen
Angelegenheiten kümmern soll, und wird ihm im Zusammenhang mit
dieser Einigung von der Mutter eine ausdrücklich nur unter
denselben Voraussetzungen geltende Vorsorgevollmacht erteilt,
ist regelmäßig von einem zum Eintritt der entsprechenden
Hilfsbedürftigkeit der Mutter wirksam werdenden
Auftragsverhältnis auszugehen; ein solches Auftragsverhältnis
verpflichtet den Sohn in der Regel dann auch zur
Rechnungslegung.
4. Soweit ein auf die Erben einer Vollmachtgeberin
übergegangener Rechnungslegungsanspruch nicht besteht, lässt das
etwaige Auskunfts- und Zahlungsansprüche der Erbengemeinschaft
gegen den Bevollmächtigten unberührt.
OLG Braunschweig,
Urt. v. 28.4.2021 – 9 U 24/20
Gesellschaftsrecht
AktG
§§ 17, 98; SEBG § 16 Abs. 3
Zur Zusammensetzung eines Aufsichtsrats nach Umwandlung einer AG in
eine SE
Streitet die
Vermutungsregel des § 17 Abs. 2 AktG für ein anderes
Unternehmen, das tatsächlich eine Mehrheitsbeteiligung an dem
beherrschten Unternehmen hält, so kann ein herrschender Einfluss
durch das Unternehmen mit der Minderheitsbeteiligung nur
angenommen werden, wenn die Vermutung des § 17 Abs. 2 AktG für
das andere Unternehmen widerlegt wird.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.2.2021 – 21 W 134/20
BGB
§§ 80 Abs. 2, 81 Abs. 1, 83 S. 1
Zu den Voraussetzungen der Anerkennung einer Stiftung von Todes
wegen
1. Die Festlegung
des Erblassers, eine „wohltätige Stiftung“ errichten zu wollen,
bezeichnet den Stiftungszweck nicht hinreichend konkret, da
weder ersichtlich ist, welche karitativen Zwecke der Stifter
verfolgen will, noch wer Begünstigter der Stiftung sein soll.
2. Ein konkretisierender Wille kann im Wege der ergänzenden
Testamentsauslegung festgestellt werden. Zu dessen Ermittlung
ist nach den allgemeinen Grundsätzen der Testamentsauslegung ein
wenn auch geringer Anhaltspunkt im Testament selbst
erforderlich, auch wenn er erst unter Heranziehung außerhalb des
Testaments liegender Umstände oder der allgemeinen
Lebenserfahrung endgültig festgestellt werden kann. Die erst
nach Testamentserrichtung erfolgte Entwicklung und Festlegung
des Stiftungszweckes durch den Erblasser darf jedoch nicht im
Rahmen der ergänzenden Testamentsauslegung in das Testament
hineingetragen werden.
3. Der Stifter kann die Stiftungserklärung nach § 81 Abs. 1 S.
2 BGB nicht dem Testamentsvollstrecker überlassen.
(Leitsätze der DNotI-Redaktion)
VG Ansbach, Urt. v.
16.3.2021 – AN 10 K 19.00766
GenG
§ 68 Abs. 2
Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes beim Ausschluss eines
Genossenschaftsmitglieds nach § 68 GenG
Auch wenn gemäß der
Satzung einer Genossenschaft ein Grund zum Ausschluss eines
Genossenschaftsmitglieds gemäß § 68 GenG vorliegt, muss die
Genossenschaft bei ihrer Ermessensentscheidung doch den
„Gleichbehandlungsgrundsatz“ hinsichtlich ihrer Mitglieder mit
beachten.
AG Brandenburg, Urt.
v. 31.3.2021 – 31 C 189/19
|