Nachfolgend finden Sie eine
Auswahl der wichtigsten in der vergangenen Woche in die Datenbank
DNotI-Online-Plus eingestellten Gerichtsentscheidungen,
Arbeitshilfen und Links.
Da instanzgerichtliche
Entscheidungen oftmals erst längere Zeit nach Verkündung
rechtskräftig werden oder uns erst mit einiger Verspätung bekannt
werden, weicht das Entscheidungsdatum ggf. deutlich vom Versanddatum
dieses Newsletters ab. Wir bitten insoweit um Verständnis.
Entscheidung der Woche
BGB
§§ 164 Abs. 3, 2296 Abs. 2
Erbvertrag; Geschäftsunfähigkeit des Vertragspartners; Rücktritt
ggü. Vorsorgebevollmächtigtem
a) Zur
Beschwerdeberechtigung eines Dritten gegen die Ablehnung einer
Betreuung, der geltend macht, zur Ausübung eines materiellen
Rechts gegenüber dem Betroffenen auf die Betreuerbestellung
angewiesen zu sein (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 19.
Januar 2011 – XII ZB 326/10, FamRZ 2011, 465).
b) Dass der andere Vertragschließende geschäftsunfähig geworden
ist, schließt den vertraglich vorbehaltenen Rücktritt vom
Erbvertrag ihm gegenüber nicht aus.
c) Der Rücktritt vom Erbvertrag kann bei Geschäftsunfähigkeit
des anderen Vertragschließenden jedenfalls grundsätzlich wirksam
gegenüber dessen Vorsorgebevollmächtigtem erfolgen.
BGH, Beschl. v.
27.1.2021 – XII ZB 450/20
Familienrecht
BGB
§§ 1592 Nr. 3, 1593, 1600d Abs. 1 u. 4, 1686a Abs. 1, 1754 Abs. 1 u.
2, 1755 Abs. 1 S. 1, 1758 Abs. 1, 1760, 1763; GG Art. 2 S. 1, 6 Abs.
2 S. 1
Kein Ausschluss der Vaterschaftsfeststellung durch vorherige Adoption
1. Die Feststellung
der Vaterschaft nach §§ 1592 Nr. 3, 1600d Abs. 1 BGB ist
durch eine zuvor erfolgte Minderjährigenadoption und ein dadurch
begründetes Eltern-Kind-Verhältnis nicht grundsätzlich
ausgeschlossen.
2. Ein Rechtsschutzbedürfnis bzw. Feststellungsinteresse besteht
für den potentiellen leiblichen Vater jedenfalls dann, wenn er
seine Rechte im Adoptionsverfahren nicht geltend machen konnte.
3. Dem (durch Adoption begründeten) Eltern-Kind-Verhältnis ist
in der Entscheidungsformel im Vaterschaftsfeststellungsverfahren
Rechnung zu tragen.
4. Das Offenbarungs- und Ausforschungsverbot ist im Rahmen einer
Beweisaufnahme im Abstammungsverfahren zu berücksichtigen und
die Anonymität des adoptierten Kindes zu wahren.
OLG Celle, Beschl.
v. 12.10.2020 – 21 WF 87/20
Erbrecht
BGB
§§ 133, 157, 2084, 2094, 2270, 2278
Keine vertragsmäßige Verfügung gem. § 2278 BGB infolge Anwachsung
eines Erbteils
1. Zur Auslegung
eines von Ehegatten abgeschlossenen Erbvertrags, bei denen die
jeweiligen Kinder der Ehegatten als Schlusserben eingesetzt
sind. (sog. „Patch-work-Familie“).
2. Bei Wegfall eines der Schlusserben stellt sich die Frage
einer vertragsmäßigen Bindung des überlebenden Ehegatten
betreffend diesen Erbteil infolge Anwachsung zugunsten der
übrigen Schlusserben erst, sofern kein Wille der Ehegatten in
Bezug auf eine erneute Testierung des überlebenden Ehegatten
infolge des Wegfalls des Schlusserben im Wege der individuellen
Auslegung festgestellt werden kann.
OLG München, Beschl.
v. 5.11.2020 – 31 Wx 415/17
BGB §§ 2314 Abs. 1 S. 1 u. 2, 2325 Abs. 3 S. 1
Umfang der Ermittlungen des Notars über Nachlassbestand
Bei der Aufnahme
eines notariellen Verzeichnisses über den Nachlass steht der
Umfang der Ermittlungen über den Nachlassbestand nicht allein im
Ermessen des Notars; vielmehr hat der Notar diejenigen
Nachforschungen anzustellen, die ein objektiver Dritter in der
Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde.
OLG Celle, Urt. v.
29.10.2020 – 6 U 34/20
Steuerrecht
AO §
175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; GrEStG § 16 Abs. 3 u. 4
Änderung der festgesetzten Grunderwerbsteuer nach
Kaufpreisherabsetzung
Die Herabsetzung der
Gegenleistung i. S. des § 16 Abs. 3 GrEStG ermöglicht keine
Änderung der festgesetzten Grunderwerbsteuer als rückwirkendes
Ereignis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.
BFH, Urt. v. 22.7.2020 – II R 15/18
EStG
§ 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2; BewG § 9 Abs. 2 S. 3; EStG VZ 2007; BauGB §§
194, 195
Zur Ermittlung des Teilwerts (Verkehrswerts) von Grund und Boden
1. NV: Bei der
Ermittlung des Teilwerts (Verkehrswerts) von Grund und Boden
kommt der Ableitung aus Verkaufspreisen für benachbarte
Vergleichsgrundstücke grundsätzlich der Vorrang vor anderen
Methoden zu. Zwar bilden Verkaufsfälle, die einen zeitlichen
Abstand zum Bewertungsstichtag aufweisen, der wesentlich länger
als ein Jahr ist, im Allgemeinen keine Grundlage für eine
unmittelbare Ableitung des Verkehrswerts. Der zeitliche Rahmen
kann jedoch weiter zu ziehen sein, wenn der örtliche
Grundstücksmarkt dadurch gekennzeichnet ist, dass einerseits nur
sehr wenige tatsächliche Verkaufsfälle zu verzeichnen sind,
andererseits aber die Markt- und Preisverhältnisse über einen
sehr langen Zeitraum weitestgehend unverändert geblieben sind.
2. NV: Bei der Ableitung des Teilwerts aus den Bodenrichtwerten
sind Bodenrichtwerte, die für Grundstücke gelten, für die noch
Erschließungskosten zu zahlen sind, um die tatsächlich nach den
Verhältnissen des Bewertungsstichtags anfallenden
Erschließungskosten zu erhöhen. Fiktive oder historische
Erschließungskosten sind grundsätzlich nicht maßgeblich.
3. NV: Eine – durch § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO ermöglichte –
Zurückverweisung an einen anderen Senat des FG setzt besondere
sachliche Gründe voraus. Gravierende Verfahrensfehler des FG
allein reichen hierfür grundsätzlich nicht aus. Hinzukommen muss
vielmehr im Regelfall, dass ernstliche Zweifel an der
Unvoreingenommenheit der Vorinstanz bestehen.
4. NV: Der Richter darf einem Beteiligten einen rechtlichen
Hinweis auch mündlich oder telefonisch erteilen bzw. den Sach-
und Streitstand telefonisch mit einem Beteiligten erörtern. Der
Inhalt eines solchen (Telefon-)Gesprächs muss allerdings durch
einen Aktenvermerk dokumentiert werden. Darüber hinaus muss der
jeweilige Prozessgegner vor Erlass einer Entscheidung in den
gleichen Kenntnisstand versetzt werden, indem auch ihm die
richterlichen Hinweise mitgeteilt werden (Anschluss an
BVerfG-Beschluss vom 30.09.2018 – 1 BvR 1783/17, NJW 2018, 3631,
Rz 24).
BFH, Urt. v.
19.5.2020 – X R 27/19
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