Nachfolgend finden Sie eine
Auswahl der wichtigsten in der vergangenen Woche in die Datenbank
DNotI-Online-Plus eingestellten Gerichtsentscheidungen,
Arbeitshilfen und Links.
Da instanzgerichtliche
Entscheidungen oftmals erst längere Zeit nach Verkündung
rechtskräftig werden oder uns erst mit einiger Verspätung bekannt
werden, weicht das Entscheidungsdatum ggf. deutlich vom Versanddatum
dieses Newsletters ab. Wir bitten insoweit um Verständnis.
Entscheidung der Woche
BGB
§§ 139, 167, 311b Abs. 1, 873, 925
Herbeiführung der Heilung bei formnichtiger Auflassungsvollmacht
Die in einem
notariell beurkundeten Angebot auf Übertragung eines
Miteigentumsanteils an einem Grundstück erteilte
Auflassungsvollmacht ist im Fall der Formnichtigkeit des
Angebots im Zweifel ebenfalls unwirksam. Anders liegt es, wenn
eine Partei die andere unwiderruflich zur Auflassung
bevollmächtigt hat, um so die Vollziehung des Vertrags – und
damit die Heilung der Formnichtigkeit des gesamten Vertrags – zu
sichern (im Anschluss an BGH Urteile vom 19. Dezember 1963 – V
ZR 121/62, WM 1964, 182; vom 30. Oktober 1987 – V ZR 144/86,
NJW-RR 1988, 348 und vom 17. März 1989 – V ZR 233/87, NJW-RR
1989, 1099).
BGH, Urt. v.
27.5.2020 – XII ZR 107/17
Immobilienrecht/allg. Zivilrecht
BGB §§ 1018 Var. 1, 1090 Abs. 1 Var. 1, 1030 Abs. 2; WEG §§ 5
Abs. 4 S. 2 u. 3, 10 Abs. 2 S. 3
Zu der Abgrenzung von Nießbrauch und
Benutzungsdienstbarkeit am Wohneigentum
a) Die Abgrenzung
zwischen einem Grundstücksnießbrauch und einer
Benutzungsdienstbarkeit richtet sich allein formal danach, ob
dem Berechtigten eine umfassende Nutzungsbefugnis (ggfs. unter
Ausschluss einzelner Nutzungen) oder nur einzelne
Nutzungsmöglichkeiten eingeräumt werden.
b) Ein Sondernutzungsrecht kann nicht selbständig mit einer
Dienstbarkeit belastet werden.
c) Ausübungsbereich einer Grunddienstbarkeit kann eine
Sondernutzungsfläche sein, die dem belasteten Sondereigentum
zugeordnet ist; sie kann auch den alleinigen Ausübungsbereich
darstellen.
d) Berechtigt eine Dienstbarkeit zur Nutzung von Sondereigentum,
ist die Berechtigung vorbehaltlich einer abweichenden Regelung
in der Eintragungsbewilligung dahingehend zu verstehen, dass sie
auch die Nutzung der Fläche umfasst, an der ein dem
Sondereigentum zugeordnetes Sondernutzungsrecht besteht. Die
Befugnis zur Nutzung einer solchen Fläche muss daher nicht
schlagwortartig im Grundbuch selbst gekennzeichnet werden.
e) Für eine Aufhebung oder Übertragung des Sondernutzungsrechts
ist die Zustimmung des Dienstbarkeitsberechtigten gemäß §§ 876,
877 BGB erforderlich; können die übrigen Wohnungseigentümer
jedoch gemäß § 10 Absatz 2 Satz 3 WEG eine Änderung oder
Aufhebung des Sondernutzungsrechts verlangen, ist auch der
Dienstbarkeitsberechtigte zur Zustimmung verpflichtet.
f) Überschreitet der Dienstbarkeitsberechtigte die Grenzen einer
zulässigen Nutzung, wie sie sich aus den Vereinbarungen der
Wohnungseigentümer untereinander ergeben, stehen den
Wohnungseigentümern – nicht anders als gegen den Mieter –
Ansprüche aus § 1004 BGB zu.
BGH, Urt. v.
20.3.2020 – V ZR 317/18
Erbrecht
BGB
§§ 204 Abs. 1 Nr. 1, 242, 2329, 2332 Abs. 1
Verjährungsbeginn des Anspruchs des Pflichtteilsberechtigten gegen
den beschenkten Miterben
1. Die
Verjährungsfrist des gegen den Beschenkten gerichteten Anspruchs
aus § 2329 BGB beginnt auch dann unzweifelhaft gemäß § 2332 Abs.
1 BGB mit dem Erbfall zu laufen, wenn der Beschenkte Miterbe
ist.
2. Dem stehen unberechtigte und die Bestandsfeststellung
erschwerende Entnahmen des Beschenkten aus dem Nachlass nicht
entgegen.
OLG Naumburg, Urt.
v. 26.9.2019 – 1 U 130/18
Öffentliches Recht
BauNVO 1968 §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 3 Nr. 2; SGB VIII §§ 34, 35a
Nutzung einer Villa zur Betreuung einer Mädchengruppe i. S. d.
Jugendhilfe ist mangels Wohncharakter eine Nutzungsänderung für soziale
Zwecke
Die Nutzungsänderung
einer Villa in eine betreute Mädchenwohngruppe zur Erbringung
jugendhilferechtlicher Leistungen dürfte sich mangels
hinreichend eigenverantwortlicher Haushaltsführung der dort
untergebrachten Mädchen und jungen Frauen nicht mehr als
„Wohnen“ im Sinne des § 3 Abs. 1 BauNVO 1968 darstellen, sondern
als Anlage für soziale Zwecke im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 2 Alt.
3 BauNVO 1968. Eine Anlage für soziale Zwecke kann nach § 3 Abs.
3 Nr. 2 BauNVO 1990 auch im reinen Wohngebiet ausnahmsweise
zugelassen werden (vgl. zur Abgrenzung BVerwG, Beschlüsse vom
25.03.1996 – 4 B 302.95 –, NVwZ 1996, 893 und vom 20.12.2016 – 4
B 49.16 –, NVwZ 2017, 723).
VG Karlsruhe,
Beschl. v. 29.1.2020 – 2 K 7658/19
BWLBO
§ 71 Abs. 3 S. 2; VwGO § 80a Abs. 1 Nr. 1; BauGB § 212a Abs. 1
Verpflichtung zur Verzichtserklärung einer Baulast bei Nichtbestehen
eines öffentlichen Interesses
Zur gerichtlichen
Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verzichts auf
Stellplatzbaulasten im Interesse des Baulastverpflichteten.
VGH
Baden-Württemberg, Beschl. v. 6.5.2020 – 8 S 455/20
Steuerrecht
ErbStG §§ 10 Abs. 5 Nr. 3 u. Abs. 6, 12 Abs. 2; BewG § 11
Abzugsfähigkeit von vergeblichen Rechtsverfolgungskosten als
Nachlassverbindlichkeit
Kosten eines
Zivilprozesses, in dem vermeintliche zum Nachlass gehörende
Ansprüche des Erblassers geltend gemacht wurden, sind als
Nachlassregelungskosten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG
abzugsfähig. § 10 Abs. 6 Satz 1 ErbStG steht dem Abzug nicht
entgegen.
BFH, Urt. v.
6.11.2019 – II R 29/16
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