Nachfolgend finden Sie eine
Auswahl der wichtigsten in der vergangenen Woche in die Datenbank
DNotI-Online-Plus eingestellten Gerichtsentscheidungen,
Arbeitshilfen und Links.
Da instanzgerichtliche
Entscheidungen oftmals erst längere Zeit nach Verkündung
rechtskräftig werden oder uns erst mit einiger Verspätung bekannt
werden, weicht das Entscheidungsdatum ggf. deutlich vom Versanddatum
dieses Newsletters ab. Wir bitten insoweit um Verständnis.
Entscheidung der Woche
BGB
§§ 428, 749 Abs. 1, 752, 753 Abs. 1, 1059 S. 1
Nießbrauch für Gesamtberechtigte; kein Aufhebungsanspruch analog §§
749 ff. BGB
Ist für mehrere
Personen als Gesamtberechtigte nach § 428 BGB ein Nießbrauch an
einem Grundstück bestellt, kann die Aufhebung der
Gesamtberechtigung entsprechend § 749 Abs. 1 BGB nicht verlangt
werden.
BGH, Urt. v.
6.3.2020 – V ZR 329/18
Immobilienrecht/allg. Zivilrecht
BGB §
167; GBO §§ 19, 29
Unbeschränkte Vollmacht in Außenverhältnis; Missbrauch der
Vertretungsmacht; Prüfungskompetenz des Grundbuchamts
1. Bei einer im
Außenverhältnis unbeschränkten Vorsorgevollmacht darf das
Grundbuchamt eine Grundbucheintragung nur dann ausnahmsweise
ablehnen, wenn es sichere Kenntnis von einem Missbrauch der
Vollmacht im Innenverhältnis hat (hier: Beschränkung auf den
Vorsorgefall im Innenverhältnis).
2. Sichere Kenntnis von einem Missbrauch besteht nur dann, wenn
für das Grundbuchamt aufgrund von vorgelegten Urkunden oder
freier Beweiswürdigung die dem Missbrauch zugrunde liegenden
Tatsachen (hier: Missachtung der Weisung im Innenverhältnis,
erst bei Geschäftsunfähigkeit bzw. Betreuungsbedürftigkeit des
Vollmachtgebers von der Vollmacht Gebrauch zu machen) zur
vollen Überzeugung feststehen.
3. Die nach Eingang eines Eintragungsantrags beim Grundbuchamt
erlangte Kenntnis vom Widerruf der Vorsorgevollmacht durch den
Vollmachtgeber hindert die Grundbucheintragung nicht.
(Leitsätze der DNotI-Redaktion)
OLG Köln, Beschl. v.
18.5.2020 – 2 Wx 61/20
BGB §
307 Abs. 1 S. 2
Verstoß gegen das Transparenzgebot bei umfangreichen AGB
1. Ein Verstoß gegen
das Transparenzgebot kann auch im erheblichen Umfang der AGB im
Verhältnis zur Bedeutung des Geschäfts begründet sein.
2. Die Verwendung von Fremdwörtern kann zulässig sein, sofern
diese ausreichend erläutert werden. (Leitsätze der
DNotI-Redaktion)
OLG Köln, Urt. v.
19.2.2020 – 6 U 184/19
Familienrecht
BGB §
1629 Abs. 2 S. 2; SGB II §§ 33, 38
Keine Vertretungsbefugnis des Obhutselternteils zur Vereinbarung einer
Rückübertragung von Unterhaltsansprüchen mit dem
Sozialleistungsträger
Das Vertretungsrecht
nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB umfasst nicht die Befugnis des
Obhutselternteils, für sein Kind mit dem Sozialleistungsträger
eine Vereinbarung über die Rückübertragung der
Unterhaltsansprüche i. S. v. § 33 Abs. 4 Satz 1 SGB II zu
schließen.
BGH, Beschl. v.
18.3.2020 – XII ZB 213/19
Gesellschaftsrecht
GmbHG § 9c;
GNotKG § 13 S. 1
Zurückweisung des Ersteintragungsantrags einer GmbH mangels Zahlung
eines Kostenvorschusses
In Angelegenheiten
der freiwilligen Gerichtsbarkeit kann die Zurückweisung eines
Antrags wegen Nichteinzahlung des Kostenvorschusses geboten
sein, wenn die Rechtssicherheit eine zeitnahe Entscheidung erfordert.
Dies ist insbesondere der Fall, wenn im Hinblick auf die aus der
Eintragung folgende Haftungsbeschränkung für Gläubiger und
Gesellschafter alsbald erkennbar sein muss, ob die gegründete
Gesellschaft eingetragen wird oder nicht. (Leitsatz der DNotI-Redaktion)
OLG Düsseldorf,
Beschl. v. 6.12.2019 – 3 Wx 177/19
Öffentliches Recht
BauO
NW 1984 § 78; BauO NRW 2018 §§ 58 Abs. 2, 82 S. 2, 86 Abs. 1 S. 1;
VwVfG NRW §§ 35 S. 1, 43 Abs. 2, 44
Kein Anspruch des Nachbarn auf Beseitigung bestandskräftiger
Wohnnutzung
1. Werden Anlagen im
Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt, kann
diese Nutzung nach § 82 Satz 2 BauO NRW 2018 untersagt werden.
2. Ein Anspruch des Nachbarn auf bauaufsichtliches Einschreiten
folgt aus dieser Eingriffsermächtigung, wenn die angegriffene
Nutzung nicht durch eine bestandskräftige Baugenehmigung gedeckt
wird, die Nutzung rechtswidrig ist und den klagenden Nachbarn in
seinen Rechten verletzt, dieser seine Abwehrrechte nicht
verwirkt hat sowie das Ermessen der Behörde auf Null reduziert
ist.
3. Die Legalisierungswirkung einer Baugenehmigung beruht darauf,
dass eine erteilte Baugenehmigung entsprechend ihrer
Verwaltungsaktqualität für die Dauer ihrer Wirksamkeit bindend
ist, soweit darin eine bestimmte Regelung enthalten ist, vgl. §§
35 Satz 1, 43 Abs. 2 VwVfG NRW. Regelungsgehalt einer
Baugenehmigung ist insbesondere die Feststellung, dass der
geplanten Errichtung einer baulichen Anlage keine
öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, vgl. § 74
BauO Abs. 1 NRW 2018.
4. Nach dem unverändert gebliebenen Regelungsmodell der
Landesbauordnungen NRW sind Baulast und Baugenehmigung rechtlich
selbständig. Stellt sich heraus, dass die bestellte Baulast –
wie im vorliegenden Fall – unwirksam ist und damit die
Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzung, für die sie bestellt
wurde, nicht gewährleisten kann, ist die auf ihrer Grundlage
erteilte Baugenehmigung in aller Regel als rechtswidrig, aber
gleichwohl als wirksam anzusehen.
5. Verstößt eine private Wohnnutzung gegen Festsetzungen eines
Bebauungsplans zur Art der baulichen Nutzung (Gewerbegebiet), so
verletzt sie damit zugleich nachbarschützende Vorschriften.
6. Verwirkt ist ein Nachbaranspruch auf Einschreiten, wenn seit
der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist
(Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die spätere
Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen
(Umstandsmoment).
7. Unterlässt es ein unmittelbarer und mit der baulichen
Situation aufgrund einer Familienzugehörigkeit genau vertrauter
Nachbar in einem Zeitraum von mehr als 20 Jahren seine
Abwehrrechte geltend zu machen, ist davon auszugehen, dass die
verpflichteten Nachbarn nach Treu und Glauben darauf vertrauen
durften und auch darauf vertraut haben, dass ein nachbarliches
Abwehrrecht gegen eine private Wohnnutzung im Gewerbegebiet
nicht mehr ausübt wird.
8. Von der Verwirkung der Nachbarrechte bleiben die
Eingriffsbefugnisse der Bauaufsichtsbehörde wegen einer
Verletzung objektiven Baurechts unberührt.
VG Aachen, Urt. v.
1.4.2020 – 3 K 1357/16
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