Nachfolgend finden Sie eine
Auswahl der wichtigsten in der vergangenen Woche in die Datenbank
DNotI-Online-Plus eingestellten Gerichtsentscheidungen,
Arbeitshilfen und Links.
Da instanzgerichtliche
Entscheidungen oftmals erst längere Zeit nach Verkündung
rechtskräftig werden oder uns erst mit einiger Verspätung bekannt
werden, weicht das Entscheidungsdatum ggf. deutlich vom Versanddatum
dieses Newsletters ab. Wir bitten insoweit um Verständnis.
Entscheidung der Woche
GG
Artt. 3 Abs. 1, 6 Abs. 1 u. 2; BGB § 1741 Abs. 2
Ausschluss der Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien ist
verfassungswidrig
1. Der Ausschluss
der Stiefkindadoption allein in nichtehelichen Familien verstößt
gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot.
2. Gegen die Stiefkindadoption vorgebrachte allgemeine Bedenken
rechtfertigen nicht, sie nur in nichtehelichen Familien
auszuschließen.
3. Es ist ein legitimes gesetzliches Ziel, eine
Stiefkindadoption nur dann zuzulassen, wenn die Beziehung
zwischen Elternteil und Stiefelternteil Bestand verspricht (vgl.
auch Art. 7 Abs. 2 Satz 2 des Europäischen Übereinkommens vom
27. November 2008 über die Adoption von Kindern (revidiert),
BGBl II 2015 S. 2 <6>).
4. Der Gesetzgeber darf im Adoptionsrecht die Ehelichkeit der
Elternbeziehung als positiven Stabilitätsindikator verwenden.
Der Ausschluss der Adoption von Stiefkindern in allen
nichtehelichen Familien ist hingegen nicht zu rechtfertigen. Der
Schutz des Stiefkindes vor einer nachteiligen Adoption lässt
sich auf andere Weise hinreichend wirksam sichern.
5. Auch jenseits der Regelung von Vorgängen der Massenverwaltung
kommen gesetzliche Typisierungen in Betracht, etwa wenn eine
Regelung über ungewisse Umstände oder Geschehnisse zu treffen
ist, die sich selbst bei detaillierter Einzelfallbetrachtung
nicht mit Sicherheit bestimmen lassen. Die damit verbundene
Ungleichbehandlung ist jedoch nur unter bestimmten
Voraussetzungen verfassungsrechtlich zu rechtfertigen.
BVerfG, Beschl. v.
26.3.2019 – 1 BvR 673/17
Immobilienrecht/allg. Zivilrecht
BGB §
280 Abs. 1; WEG §§ 14 Nr. 4 Hs. 2, 27 Abs. 1 Nr. 1
Schadensersatzpflicht aufgrund unterbliebener Beschlussfassung zur
Sanierung des gemeinschaftlichen Eigentums
1. Eine
unterbliebene Beschlussfassung zur Sanierung des
gemeinschaftlichen Eigentums kann eine Schadensersatzpflicht des
einzelnen Wohnungseigentümers ggü. den übrigen
Wohnungseigentümern begründen. Der Verband ist hingegen nicht
zum Schadensersatz verpflichtet.
2. Sofern jedoch ein Beschluss zur Sanierung des
gemeinschaftlichen Eigentums gefasst worden ist, kann aufgrund
der nicht oder nur unvollständigen Beschlussumsetzung nur eine
Ersatzpflicht des Verwalters bestehen.
3. § 14 Nr. 4 Hs. 2 WEG erfasst solche Schäden nicht, die nur
als Folge des sanierungsauslösenden Mangels des
Gemeinschaftseigentums eingetreten sind. (Leitsätze der DNotI-Redaktion)
BGH, Urt. v.
16.11.2018 – V ZR 171/17
WEG
§§ 10 Abs. 3 u. 6 S. 3 Var. 2, 14 Nr. 1, 15 Abs. 3, 22 Abs. 1, 62
Abs. 1; BGB §§ 428, 883, 1004
Anspruch auf Beseitigung von baulichen Veränderungen; anwendbare
Vorschriften in Altfällen
1. Ob ein
Wohnungseigentümer von einem anderen Wohnungseigentümer die
Beseitigung einer baulichen Veränderung verlangen kann,
beurteilt sich in Altfällen nach den Vorschriften zum
materiellen Recht in der seit dem 1. Juli 2007 geltenden
Fassung, da für das materielle Recht eine § 62 Abs. 1 WEG
entsprechende Übergangsvorschrift fehlt.
2. Auch ein Beschluss, mit dem die Wohnungseigentümer die
gemeinsame Klage auf Beseitigung gegen einen Miteigentümer
beschließen, aus dem Zeitraum vor der Erkenntnis der
Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft ist nach
seinem objektiven Inhalt sowie nach Wortlaut und Sinn, wie er
sich für einen unbefangenen Betrachter ergibt, dahin auszulegen,
dass die Gemeinschaft selbst beauftragt und bevollmächtigt
werden sollte, die Individualansprüche der Eigentümer aus § 15
Abs. 3 WEG, § 1004 BGB zu verfolgen.
3. Die nach § 22 Abs. 1 WEG erforderliche Zustimmung zu einer
baulichen Veränderung kann auch durch eine Vereinbarung erteilt
werden, denn Wohnungseigentümer können Gegenstände, die zu
beschließen sind, stets auch vereinbaren.
4. Regelt die Gemeinschaftsordnung ein (Aus-)Baurecht des
Eigentümers einer bestimmen Einheit, liegt darin eine
vorweggenommene Zustimmung aller Wohnungseigentümer i. S. v. § 22
Abs. 1 S. 1 WEG. Die Zustimmung kann bereits für künftige
Maßnahmen in der Gemeinschaftsordnung erteilt werden.
5. Ein Widerruf der durch Vereinbarung erteilten Zustimmung ist
wieder nur im Wege der Vereinbarung möglich. Auch wenn eine
Öffnungsklausel eine Änderung der Gemeinschaftsordnung durch
Beschluss erlaubte, wäre der Widerruf nur mit Zustimmung des
Begünstigten wirksam.
6. Eine in einem notariellen Nachtrag zu einer Teilungserklärung
enthaltene Änderung der Gemeinschaftsordnung wird nur dann
Gegenstand des Sondereigentums, wenn die Eintragung auch der
konkreten Änderung in das Grundbuch bewilligt und beantragt
wird.
7. Eine nicht in das Grundbuch eingetragene, die
Gemeinschaftsordnung ändernde Vereinbarung, die eine nur für
alle Wohnungseigentümer einheitlich zu beurteilende Regelung zum
Gegenstand hat, ist nicht ohne dessen Zustimmung gegenüber einem
Sondernachfolger wirksam, der in die Gemeinschaft eintritt und
zu dessen Ungunsten die Vereinbarung wirken würde (Bayerisches
Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 10. Januar 2002 – 2Z BR
180/01).
8. Für den Eintritt eines Erwerbers in rein schuldrechtliche
Vereinbarungen der Wohnungseigentümer gelten die Grundsätze der
Vertragsübernahme, mit der eine Vertragspartei anstelle der
bisherigen Vertragspartei in einen Vertrag eintritt. Die
Vertragsübernahme ist ein einheitliches Rechtsgeschäft, das der
Zustimmung aller Beteiligter bedarf. Die Vertragsübernahme kann
grundsätzlich als dreiseitiger Vertrag oder durch Vertrag
zwischen zwei Beteiligten geschlossen werden, der durch den
dritten Beteiligten genehmigt wird.
9. Es ist dabei in der Regel davon auszugehen, dass die
Wohnungseigentümer das Gemeinschaftsverhältnis personenneutral
regeln wollen und einer Vertragsübernahme durch einen Erwerber
antizipiert zustimmen.
10. Entscheidend ist daher, ob der Veräußerer und der Erwerber –
in der Regel im Rahmen des Erwerbsvertrages – eine
Vertragsübernahme bezüglich bestimmter schuldrechtlicher
Vereinbarungen wirksam vereinbart haben. Eine derartige
Vertragsübernahme setzt die positive Kenntnis des Erwerbers vom
Bestehen einer Vereinbarung und die Feststellung seines
rechtsgeschäftlichen Willens, in diese Vereinbarung eintreten zu
wollen, voraus.
11. Bei der Auslegung von Übernahmeklauseln in Kaufverträgen ist
davon auszugehen, dass ein Erwerber in der Regel nicht pauschal
auf den Schutz des § 10 Abs. 3 WEG verzichten will und ohne
Kenntnis im Einzelnen jede für ihn eventuell mit erheblichen
Nachteilen verbundene Vereinbarung übernehmen will. Vielmehr
gebietet es der in § 10 Abs. 3 WEG zum Ausdruck gekommene
Gesetzeswillen, Übernahmeklauseln hinsichtlich der Übernahme
nachteiliger schuldrechtlicher Vereinbarungen im Zweifel eng
auszulegen.
OLG München, Beschl.
v. 6.2.2019 – 32 Wx 147/18 WEG
WEG
§§ 10 Abs. 8, 21 Abs. 2
Haftung des Wohnungseigentümers für Sozialverbindlichkeiten
Eine Haftung des
Wohnungseigentümers gemäß § 10 Abs. 8 Satz 1 WEG für
Verbindlichkeiten des Verbands scheidet aus, wenn es sich um
Ansprüche anderer Wohnungseigentümer handelt, die aus dem
Gemeinschaftsverhältnis herrühren (sog.
Sozialverbindlichkeiten). Hierzu gehören
Aufwendungsersatzansprüche, die einem Wohnungseigentümer wegen
der Tilgung einer Verbindlichkeit des Verbands zustehen, und
zwar auch dann, wenn die Tilgung eine
Notgeschäftsführungsmaßnahme i. S. d. § 21 Abs. 2 WEG ist; dies
gilt unabhängig davon, ob eine Befriedigung aus dem
Gemeinschaftsvermögen zu erwarten ist oder nicht.
BGH, Urt. v.
26.10.2018 – V ZR 279/17
Erbrecht
BGB
§§ 119 Abs. 2, 120, 123, 1944 Abs. 1 u. 2, 1945 Abs. 1
Anfechtung der Erbausschlagung bei bloßem Motivirrtum
Beruht die
Entscheidung, die Erbschaft auszuschlagen, auf bewusst
ungesicherter, also spekulativer Grundlage (hier: Annahme der
Überschuldung des Erblassers aufgrund eines vor Jahren vorhanden
gewesenen Guthabens in Verbindung mit der Rentensituation und
der äußeren Lebensführung bei vermutet hohen
Wohnungsauflösungskosten), so berechtigt eine später sich
herausstellende Werthaltigkeit des Erbes mangels eines rechtlich
relevanten Irrtums (bloßer Motivirrtum) den Ausschlagenden nicht
zur Anfechtung seiner Erklärung.
OLG Düsseldorf,
Beschl. v. 19.12.2018 – 3 Wx 140/18
Gesellschaftsrecht
BGB §
29 Voraussetzungen der Nachtragsliquidation im Vereinsrecht
Das rechtliche
Interesse an der Ingangsetzung einer Notabwicklung für einen im
Vereinsregister als erloschen eingetragenen Verein, der im
Grundbuch als Eigentümer mehrerer Grundstücke eingetragen ist,
wird nicht schon dadurch begründet, dass der Antragsteller
beabsichtigt, Kontakt zu dem aufgelösten Verein herzustellen, um
herauszufinden, ob und ggf. zu welchen Konditionen dieser
möglicherweise zur Veräußerung eines Grundstücks bereit wäre.
OLG Saarbrücken,
Beschl. v. 5.11.2018 – 5 W 74/18
|