OLG Zweibrücken 02. August 2022
6 UF 70/22
BGB § 1598a Abs. 1 Nr. 3; FamFG § 178

Verpflichtung nur des rechtlichen Vaters zur genetischen Abstammungsuntersuchung

letzte Aktualisierung: 13.10.2022
OLG Zweibrücken, Beschl. v. 2.8.2022 – 6 UF 70/22

BGB § 1598a Abs. 1 Nr. 3; FamFG § 178
Verpflichtung nur des rechtlichen Vaters zur genetischen Abstammungsuntersuchung

Nach § 1598a Abs. 1 Nr. 3 BGB kann nur der rechtliche Vater gemäß § 1592 BGB und nicht der
mutmaßliche biologische Vater zur Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung
verpflichtet werden. Ein solcher Anspruch kann auch nicht auf § 178 FamFG gestützt werden, da es
sich insoweit um eine reine Verfahrensvorschrift handelt.

Gründe

Die gemäß § 58 FamFG statthafte Beschwerde der Antragstellerin ist verfahrensrechtlich
bedenkenfrei.

In der Sache muss der Beschwerde der Erfolg versagt bleiben.

Das Familiengericht hat in der angefochtenen Entscheidung vom 11. Mai 2022 zutreffend
festgestellt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1598 a Abs. 1 Nr. 3 BGB nicht
vorliegen, weil nur der rechtliche Vater gemäß § 1592 BGB, nicht aber der (mutmaßliche)
biologische Vater durch diese Vorschrift zur Einwilligung in eine genetische
Abstammungsuntersuchung verpflichtet werden kann. Neben den bereits vom
Familiengericht zitierten Entscheidungen des OLG Karlsruhe vom 17. Juli 2009, 2 UF
49/09 und des OLG Nürnberg vom 17. Juni 2013, 11 UF 551/13 kann insoweit auch auf
die Entscheidung des OLG Frankfurt vom 12. August 2016, 6 UF 143/16 verwiesen
werden. Diese einhellige obergerichtliche Rechtsprechung genügt auch den
verfassungsrechtlichen Anforderungen. So hat das Bundesverfassungsgericht eine über die
gerichtliche Vaterschaftsfeststellung nach § 1600d BGB hinausgehende Möglichkeit der
isolierten Abstammungsklärung nicht gefordert (BVerfG, Urteil vom 19. April 2016 – 1
BvR 3309/13 –, BVerfGE 141, 186-220, juris Rn. 43).

Soweit die Antragstellerin ihr Begehren nun hilfsweise auf § 178 FamFG stützt, vermag ihr
dies nicht zum Erfolg zu verhelfen. Die Antragstellerin verkennt, dass es sich bei § 178
FamFG um eine Verfahrensvorschrift handelt, die keinen eigenen Rechtsanspruch gewährt,
sondern lediglich im Rahmen eines Abstammungsverfahrens die Duldungspflicht dort zu
untersuchender Personen regelt. Die Vorschrift, die inhaltlich § 372 a ZPO entspricht,
schafft eine Grundlage, unter welchen Voraussetzungen eine Person zur Feststellung der
Abstammung eine Untersuchung, durch die am zuverlässigsten die
Abstammungsverhältnisse geklärt werden können, zu dulden hat. Die Bestimmung deckt
daher einen in der Anordnung der Blutentnahme möglicherweise liegenden Eingriff in das
Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit, das nach Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG unter
Gesetzesvorbehalt steht, d.h. durch einfaches Gesetz beschränkt werden kann
(Keidel/Engelhardt, 20. Aufl. 2020, FamFG § 178 Rn. 1).

Auch im Hinblick auf die oben zitierte obergerichtliche Rechtsprechung besteht keine
Veranlassung davon auszugehen, dass durch eine solche Verfahrensvorschrift die
materiellrechtliche Regelung des 1598 a BGB erweitert oder ausgehebelt werden soll. Soweit
die Antragstellerin auf einen Hinweisbeschluss des OLG Oldenburg vom 15. August 2017,
4 UF 106/17 verweist, dem eine andere Rechtsauffassung entnommen werden könnte, ist
festzustellen, dass dieser sich mit der materiellrechtlichen Regelung des § 1598 a BGB bzw.
deren tatbestandlichen Voraussetzungen überhaupt nicht auseinandersetzt, sondern
lediglich eine Prüfung anhand der verfahrensrechtlichen Vorgaben des § 178 FamFG
erfolgt. Der Senat vermag daher dieser - soweit ersichtlich vereinzelt gebliebenen
Entscheidung - nicht zu folgen.

Auch unter Berücksichtigung der Regelung des § 175 FamFG konnte das Familiengericht -
entgegen der Ansicht der Antragstellerin - von der Durchführung einer mündlichen
Verhandlung absehen. Auch bedurfte es keiner persönlichen Anhörung der am Verfahren
Beteiligten. Gemäß § 175 Abs. 1 FamFG soll vor einer Beweisaufnahme über die
Abstammung die Angelegenheit in einem Termin erörtert werden. Vorliegend kam eine
Beweisaufnahme aus den dargelegten rechtlichen Gründen nicht in Betracht, mithin bestand
auch kein Anlass für eine solche Erörterung. Durch die persönliche Anhörung gemäß § 175
Abs. 2 FamFG soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass sich durch die
Ersetzung der Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung und die
Anordnung der Duldung einer Probeentnahme erhebliche Auswirkungen auf die
bestehenden persönlichen Verhältnisse und familiären Beziehungen ergeben. Darüber
hinaus soll sich das Gericht einen unmittelbaren Eindruck von dem Betroffenen
verschaffen und die Möglichkeit erhalten, auf eine einvernehmliche Lösung hinzuwirken
(BeckOK FamFG/Weber, 43. Ed. 1.7.2022, FamFG § 175 Rn. 9). In der gegebenen
Konstellation ist eine Ersetzung der Einwilligung nicht in Betracht gekommen. Eine
gütliche Einigung erschien nach den vehement ablehnenden Stellungnahmen des
Antragsgegners in erster Instanz ausgeschlossen, zumal auch keine rechtliche Verpflichtung
des Antragsgegners zu der von der Antragstellerin begehrten Zustimmung zu einer
genetischen Abstammungsuntersuchung bestanden hat. Angesichts dessen hat das
Familiengericht auch zu Recht von einer persönlichen Anhörung der Beteiligten abgesehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Die Entscheidung bezüglich des Gegenstandswertes gründet sich auf § 47 Abs. 1
FamGKG.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür
nicht gegeben sind, § 70 Abs. 2 FamFG.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Zweibrücken

Erscheinungsdatum:

02.08.2022

Aktenzeichen:

6 UF 70/22

Rechtsgebiete:

Abstammung (incl. künstliche Befruchtung), Adoption
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

BGB § 1598a Abs. 1 Nr. 3; FamFG § 178