FG München 29. November 2018
3 K 3014/16 Erb
ErbStG §§ 13a Abs. 1 S. 1, 13b Abs. 1 Nr. 1 u. Abs. 4; BewG § 168 Abs. 1

Keine Steuerbefreiungen für Betriebsvermögen nach §§ 13a, 13b ErbStG bei Zuwendung eines Nießbrauchs an land- und forstwirtschaftlichem Betrieb

letzte Aktualisierung: 3.5.2019
FG Münster, Urt. v. 29.11.2018 – 3 K 3014/16 Erb

ErbStG §§ 13a Abs. 1 S. 1, 13b Abs. 1 Nr. 1 u. Abs. 4; BewG § 168 Abs. 1
Keine Steuerbefreiungen für Betriebsvermögen nach §§ 13a, 13b ErbStG bei Zuwendung
eines Nießbrauchs an land- und forstwirtschaftlichem Betrieb

1. Ob erbschaftsteuerlich privilegiertes land- und forstwirtschaftliches Vermögen vorliegt, bestimmt
sich nicht nach ertragsteuerlichen Kriterien, sondern allein nach den bewertungsrechtlichen
Grundsätzen der §§ 158 ff. BewG.

2. Der Nießbrauch stellt zivilrechtlich ein bloßes Nutzungsrecht dar, sodass sein Erwerb nicht zu
einer erbschaftsteuerlichen Befreiung nach § 13a ErbStG führt, da sich die Zuwendung ohne den
Übergang des grundsätzlich nach § 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG privilegierten land- und
forstwirtschaftlichen Vermögens vollzieht.

3. Die damit einhergehende unterschiedliche erbschaftsteuerliche Behandlung des Nießbrauchs an
einem land- und forstwirtschaftlichen Unternehmen und an der Beteiligung an einer
Personengesellschaft stößt wegen unterschiedlicher Vermögensarten nicht auf verfassungsrechtliche
Bedenken. (Leitsätze der DNotI-Redaktion)
Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet.

Der angefochtene Erbschaftsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist
rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1
Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Beklagte hat zu Recht das Nießbrauchsrecht nicht als
nach §§ 13a, 13b ErbStG in der im Streitjahr 2014 geltenden Fassung (ErbStG) begünstigtes
land- und forstwirtschaftliches Vermögen bzw. als begünstigtes Betriebsvermögen qualifiziert.
Der Erwerb eines Nießbrauchrechts unterliegt als Erwerb von Todes wegen gemäß § 3 Abs. 1
Nr. 4 ErbStG der Erbschaftsteuer. Aufgrund des Eintritts der vertraglich vereinbarten
aufschiebenden Bedingung sind einerseits die dem Erblasser zustehenden
Nießbrauchsrechte erloschen und zeitgleich andererseits neue Nießbrauchsrechte in der
Person der Klägerin als Erbin entstanden (§ 158 Abs. 1 BGB). Einer Mitwirkung des
Übertragnehmers bedurfte es nicht.

Nach § 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG bleibt der Wert von Betriebsvermögen, land- und
forstwirtschaftlichem Vermögen und Anteilen von Kapitalgesellschaften im Sinne des § 13b
Abs. 4 ErbStG insgesamt außer Ansatz (Verschonungsabschlag),
- wenn die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen des Betriebs, bei
Beteiligungen an einer Personengesellschaft oder Anteilen an einer Kapitalgesellschaft des
Betriebs der jeweiligen Gesellschaft innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb insgesamt
40 Prozent der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet (§ 13a Abs. 1 Satz 2 ErbStG) und
- wenn das begünstigte Vermögen innerhalb einer fünfjährigen Behaltensfrist beim
Erwerber verbleibt (§ 13a Abs. 5 ErbStG).

Nach § 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gehört zum begünstigen Vermögen der inländische
Wirtschaftsteil des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs (§ 168 Abs. 1 Nr. 1 BewG) mit
Ausnahme der Stückländereien (§ 168 Abs. 2 BewG) und selbst bewirtschafteter
Grundstücke im Sinne des § 159 BewG sowie entsprechendes land- und forstwirtschaftliches
Vermögen, das einer Betriebsstätte in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in
einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums dient.

Nach § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG gehört weiter zum begünstigten Vermögen inländisches
Betriebsvermögen (§§ 95 bis 97 BewG) beim Erwerb eines ganzen Gewerbebetriebs, eines
Teilbetriebs, eines Anteils an einer Gesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und
Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 EStG, eines Anteils eines persönlichen haftenden Gesellschafters
einer Kommanditgesellschaft auf Aktien oder eines Anteils daran und entsprechendes
Betriebsvermögen, das einer Betriebsstätte in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union
oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums dient.

Zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehört nach § 168 Abs. 1 BewG der Wert des
Wirtschaftsteils (§ 160 Abs. 2 BewG), der Wert der Betriebswohnungen (§ 160 Abs. 8 BewG)
abzüglich der damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten und der
Wert des Wohnteils (§ 160 Abs. 9 BewG) abzüglich der damit in unmittelbarem
Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten. Außerdem gehören dazu die Wirtschaftsgüter,
die erforderlich sind, um die in § 168 Abs. 1 BewG genannten land- und forstwirtschaftlichen
Nutzungen zu erzielen.

Ob land- und forstwirtschaftliches Vermögen vorliegt, ist nach bewertungsrechtlichen
Grundsätzen zu bestimmen. Ertragsteuerliche Grundsätze sind nach dem Gesetzeswortlaut
nicht heranzuziehen. Bis zum 31.12.2008 war land- und forstwirtschaftliches Vermögen nach
§ 13a Abs. 4 Nr. 2 ErbStG a. F. in dem Umfang begünstigt, in dem zuvor die entsprechende
bewertungsrechtliche und einkommensteuerliche Zuordnung von Wirtschaftsgütern als
Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu bejahen war. Seit dem 01.01.2009 knüpft § 13b Abs.
1 Nr. 1 ErbStG nur noch an die bewertungsrechtliche Definition des land- und
forstwirtschaftlichen Vermögens an. Die ertragsteuerliche Behandlung ist bedeutungslos
geworden, nachdem durch die Neuregelung in §§ 158 ff. BewG das land- und
forstwirtschaftliche Vermögen zunächst tätigkeitsbezogen definiert worden ist, bevor der
Betrieb der Land- und Forstwirtschaft in § 160 BewG vor allem in Absatz 1 in Wirtschaftsteil,
Betriebswohnungen und Wohnteil zusammengefasst wird (vgl. Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher
/Gottschalk, ErbStG, Kommentar, § 13b Tz. 1 mit weiteren Nachweisen). Jülicher begründet
das damit, dass der Wortlaut gegenüber § 13a Abs. 4 Nr. 2 ErbStG in der Fassung bis zum
31.12.2008 gerade dahingehend geändert worden sei, dass die Zugehörigkeit zum
ertragsteuerlichen Betriebsvermögen als Voraussetzung der erbschaftsteuerlichen
Begünstigung nicht mehr erwähnt werde.

Zum begünstigungsfähigen Betriebsvermögen gehört insbesondere das einem
Gewerbebetrieb dienende Vermögen unter der Voraussetzung, dass es bei der steuerlichen
Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehört (§ 95 BewG). Nicht als Gewerbebetrieb gilt
gemäß § 95 Abs. 2 BewG unbeschadet des § 97 BewG die Land- und Forstwirtschaft, wenn
sie den Hauptzweck des Unternehmens bildet.

Die Klägerin hat kein Nießbrauchsrecht an begünstigtem Betriebsvermögen erworben,
sondern an einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb. Wie bereits ausgeführt, erfolgt die
Zuordnung eines Betriebs zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen nach
bewertungsrechtlichen Grundsätzen. Im Gegensatz zu § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ist § 13b
Abs. 1 Nr. 1 ErbStG kein Bezug auf ertragsteuerliche Vorschriften zu entnehmen.

Die Zuwendung eines Nießbrauchs ist bei Vermögen der Land- und Forstwirtschaft nicht
begünstigt, denn das Nießbrauchsrecht stellt zivilrechtlich ein Nutzungsrecht dar, die
ertragsteuerliche Qualifikation ist, wie ausgeführt, beim land- und forstwirtschaftlichen
Vermögen für § 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ohne Bedeutung (vgl. Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher
/Gottschalk, ErbStG, Kommentar, § 13b Tz. 9). Die erbschaftsteuerlichen Folgen, die aus der
Mitunternehmerstellung eines Nießbrauchers im Ertragsteuerrecht zu ziehen sind, können
nach Auffassung des Senats nicht auf den Erwerb eines Nießbrauchsrechts an land- und
forstwirtschaftlichem Vermögen übertragen werden, auch wenn das land- und
forstwirtschaftliche Vermögen als solches begünstigt ist. Denn die ertragsteuerlichen
Grundsätze sind nicht anwendbar. Die Folge ist, dass - im Gegensatz zu der Übertragung
eines Mitunternehmeranteils an einer Personengesellschaft - kein Übergang von land- und
forstwirtschaftlichen Vermögen stattgefunden hat.

Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass der von ihr als „Gutsverwaltung“ bezeichnete
Betrieb das Betriebsvermögen an dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen sei, ist das
ohne Bedeutung für die Qualifizierung die Nießbrauchs, denn nach § 95 Abs. 2 BewG gehört
die Land- und Forstwirtschaft dann nicht zum Betriebsvermögen, wenn sie, wie im Streitfall,
den Hauptzweck des Unternehmens bildet. Für die Zuordnung des mit dem Nießbrauch
belasteten Vermögens ist es auch unerheblich, dass die Klägerin als Nießbraucherin
steuerlich als Unternehmerin behandelt wird.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus § 13a Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 ErbStG
nicht die klare Absicht des Gesetzgebers, einkunftsartenunabhängig die verschiedenen
Quellen der Gewinneinkunftsarten einheitlich bei der erbschaft- und schenkungsteuerlichen
Betrachtung zu behandeln. Die Übertragung des Nießbrauchsrechts an dem land- und
forstwirtschaftlichen Betrieb wird nach den gesetzlichen Vorschriften anders als bei
Personengesellschaften nicht als privilegiert im Sinne des § 13a ErbStG behandelt. Es liegt
damit, wie die Klägerin zutreffend ausführt, eine unterschiedliche Behandlung der
Vermögensarten vor. Der Gesetzgeber ist aber aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht
gehalten, unterschiedliche Vermögensarten gleich zu behandeln.

Soweit die Klägerin das Urteil des BFH vom 01.09.2011 (II R 67/09, BStBl II 2013, 210)
sinngemäß anwenden will, ist dies nach Auffassung des Senats nicht möglich, da es zur
erbschaftsteuerlichen Bedeutung eines unentgeltlich erworbenen Nießbrauchs an einem
Anteil an einer Personengesellschaft nach früherem Recht ergangen ist und nichts für die
Frage hergibt, wie das nach §§ 13a, 13b ErbStG begünstige Vermögen zu bestimmen ist.
Dass die Klägerin aufgrund des Nießbrauchsrechts Unternehmerin geworden ist und sie
Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielt, ist unstreitig und hilft bei der Qualifikation des
nach §§ 13a, 13b ErbStG begünstigungsfähigen Vermögens nicht weiter. Auch wenn das
Nießbrauchsrecht notwendiges Betriebsvermögen der Klägerin geworden sein kann und
selbst wenn es sich bei dem Nießbrauch damit um ein immaterielles Wirtschaftsgut im Sinne
des § 158 Abs. 3 Nr. 5 BewG handeln sollte, sagt dies nichts über die nach § 160 BewG
vorzunehmende Qualifikation des zu begünstigenden Vermögens. Das FG Schleswig-
Holstein (Urteil vom 11.05.2016 5 K 207/13) ist zur Frage der Behandlung der Aufgabe eines
Nießbrauchsrechts eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs gegen Zahlung einer
Entschädigung als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft ergangen und damit für den
Streitfall nicht einschlägig.

Der Senat sieht im Streitfall auch keine Gründe, die eine Ausweitung des
Begünstigungstatbestandes der §§ 13a, 13b ErbStG über ihren Wortlaut hinaus gebieten.
Der Senat kann, da der Nießbrauch nicht zum begünstigten Vermögen im Sinne der §§ 13a,
13b ErbStG gehört, offen lassen, ob im Streitfall der Nießbrauch entsprechend ausgestaltet
ist. Ebenso kann der Senat offen lassen, ob, wie die Klägerin vorträgt, die
Lohnsummengrenze gemäß § 13a Abs. 1 Satz 2 ErbStG sowie die sogenannten
Behaltensfri sten nach § 13a Abs. 5 Satz 1 ErbStG eingehalten sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen werden nicht erstattet (§ 139 Abs. 4 FGO).
Die Revision war § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts zuzulassen. Soweit
ersichtlich ist die Rechtsfrage bislang höchstrichterlich nicht entschieden. Dies ist aber
zweckmäßig, da sich diese Rechtsfrage in zahlreichen Fällen stellt.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

FG München

Erscheinungsdatum:

29.11.2018

Aktenzeichen:

3 K 3014/16 Erb

Rechtsgebiete:

Erbschafts- und Schenkungsteuer

Normen in Titel:

ErbStG §§ 13a Abs. 1 S. 1, 13b Abs. 1 Nr. 1 u. Abs. 4; BewG § 168 Abs. 1