BGH 16. Januar 2019
IV ZB 20+21/18
BGB § 1944 Abs. 3

Keine verlängerte Ausschlagungsfrist bei bloß eintägigem Auslandsaufenthalt

letzte Aktualisierung: 15.3.2019
BGH, Beschl. v. 16.1.2019 – IV ZB 20+21/18

BGB § 1944 Abs. 3
Keine verlängerte Ausschlagungsfrist bei bloß eintägigem Auslandsaufenthalt

Ein Auslandsaufenthalt im Sinne des § 1944 Abs. 3 BGB liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn sich
einer der beiden gesetzlichen Vertreter eines minderjährigen Erben bei dem Beginn der Frist
lediglich für einige Stunden zu einem Tagesausflug im Ausland aufhält und planmäßig noch am
selben Tag an seinen Wohnort im Inland zurückkehrt.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten um die Erbfolge nach der am 3. Dezember
2016 verstorbenen Heidrun H. (im Folgenden: Erblasserin) sowie
über Anordnung und Umfang einer Testamentsvollstreckung. Die
Erblasserin war mit dem am 24. Juli 2004 vorverstorbenen Paul Heinrich
H. verheiratet. Aus der Ehe sind zwei Söhne, die Beteiligten zu 1
und 2, hervorgegangen. Der Beteiligte zu 2 ist Vater der Beteiligten zu 4
(geboren am 9. Oktober 1997) und 5 (geboren am 12. Oktober 1999). Am
21. November 2006 errichtete die Erblasserin ein handschriftliches Testament,
das auszugsweise wie folgt lautet:

"Ich, Heidrun H. … setze meine beiden Söhne … je
zur Hälfte als meine Vorerben ein. Der Nacherbfall tritt jeweils
beim Tod eines Vorerben ein. Zu Nacherben meines
Sohnes Holger bestimme ich zu gleichen Teilen meine Enkelkinder
… [Beteiligte zu 4 und 5]. Zu Nacherben meines
Sohnes Ingo bestimme ich ebenfalls zu gleichen Teilen
meine Enkelkinder …, jedoch nur, wenn Ingo bei seinem
Ableben unverheiratet oder kinderlos ist. Dann sollen seine
gesetzlichen Erben seine Nacherben sein. Die Nacherben
sind zugleich die Ersatzerben. …
Ich ordne Testamentsvollstreckung an. Zum Testamentsvollstrecker
ernenne ich meinen Steuerberater, Herrn …
[Beteiligter zu 3]. Sollte der Nacherbfall eintreten, hat der
Testamentsvollstrecker die Erbteile meiner Enkel … zu
verwalten. Die Verwaltung dieser Erbteile hat so lange zu
erfolgen, bis meine Enkel das 25. Lebensjahr vollendet haben.
Er hat die jährlichen Überschüsse des Nachlasses
nach Ablauf der ersten drei Monate des folgenden Jahres
jeweils unverzüglich an die Erben im Verhältnis ihrer Erbteile
auszuzahlen. Er kann nach eigenem Ermessen bereits
vorab monatliche Vorschüsse an die Erben zu gleichen Teilen
auszahlen. Er ist von den Beschränkungen des § 181
BGB befreit. Im Streitfall entscheidet der Testamentsvol lstrecker
nach billigem pflichtgemäßem Ermessen allein. …"

Das Testament wurde am 28. Dezember 2016 durch das Nachlassgericht
eröffnet. Am selben Tag wurde die Übersendung einer Testamentsabschrift
an die Beteiligten zu 1 und 2 verfügt. Am 19. Januar
2017 wurden auch den Nacherben Abschriften des Testaments übersandt.
Am 23. Januar 2017 beantragte der Beteiligte zu 3 als Testamentsvollstrecker
die Erteilung eines Erbscheins, der die Beteiligten zu 1
und 2 als Vorerben zu je 1/2 ausweist.

Mit notarieller Urkunde vom 7. Februar 2017 schlugen die Beteiligten
zu 1 und 2 die Erbschaft nach der Erblasserin als durch Testament
eingesetzte Vorerben aus. Die Ausschlagung erfolgte unter Berufung auf
§ 2306 Abs. 1 BGB. Die Beteiligten zu 1 und 2 wiesen ferner darauf hin,
dass sich ihre Ausschlagung nur auf den Berufungsgrund als testamentarisch
eingesetzte Vorerben beziehe und sie für den Fall, dass sie jetzt
oder später als gesetzliche Erben berufen würden, die Erbschaft annähmen.
Mit notarieller Urkunde vom 23. Februar 2017 schlug der Beteiligte
zu 4 die Erbschaft nach der Erblasserin als durch Testament eingesetzter
Nacherbe und zugleich auch als Ersatzerbe und somi t Vollerbe aus
allen in Betracht kommenden Berufungsgründen ohne jede Bedingung
aus. Mit Schreiben vom 16. März 2017 an den Beteiligten zu 2 sowie
seine Ehefrau wies das Nachlassgericht diese darauf hin, dass nach der
Ausschlagung der Erbschaft durch die Vorerben diese dem Beteiligten
zu 5 angefallen sein dürfte. Mit Urkunde vom 6. September 2017 schlugen
der Beteiligte zu 2 und seine Ehefrau als gesetzliche Vertreter des
Beteiligten zu 5 die Erbschaft nach der Erblasserin als durch Testament
eingesetzter Nacherbe und zugleich auch als Ersatzerbe und somit Vollerbe
aus allen in Betracht kommenden Berufungsgründen ohne jede Bedingung
aus. Nach Eintritt seiner Volljährigkeit genehmigte der Beteiligte
zu 5 am 17. Oktober 2017 diese Erbausschlagung.

Am 26. Oktober 2017 beantragten die Beteiligten zu 1 und 2 die
Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins auf der Grundlage gesetzlicher
Erbfolge, da die testamentarischen Erben sämtlich die Ausschlagung
erklärt hätten. Der Beteiligte zu 3 änderte mit Schreiben vom
26. Februar 2018 seinen Antrag dahingehend, dass der Beteiligte zu 5 zu
1/2 Erbe geworden sei sowie die Beteiligten zu 1 und 2 gesetzliche Erben
zu je 1/4. Am 8. März 2018 ergänzte der Beteiligte zu 3 seinen Erbscheinantrag
dahin, dass die Anordnung der Testamentsvollstreckung in
den Erbschein aufzunehmen sei.

Die Beteiligten zu 1 und 2 sind der Auffassung, der Beteiligte zu 5
habe die Erbschaft fristgerecht ausgeschlagen. Sie hätten sich am
18. März 2017 zusammen mit dem Beteiligten zu 5 zu einem Tagesausflug
in Dänemark befunden, als die Mitteilung des Nachlassgerichts über
die Ausschlagung der Vorerben zu Hause per Post angekommen und von
der Mutter des Beteiligten zu 5 entgegengenommen worden sei, die den
Beteiligten zu 2 daraufhin in Dänemark telefonisch unterrichtet habe.
Noch am selben Tag seien die Beteiligten zu 1, 2 und 5 wie geplant nach
Deutschland zurückgekehrt. Die Beteiligten zu 1 und 2 vertreten die Auffassung,
für die Ausschlagung des Beteiligten zu 5 gelte die Sechsmonatsfrist
des § 1944 Abs. 3 BGB, so dass gesetzliche Erbfolge eingetreten
sei. Insoweit entfalle auch das Bedürfnis für die von der Erblasserin
angeordnete Testamentsvollstreckung.

Das Nachlassgericht hat mit undatierten Beschlüssen im Verfahren
11 VI 66/17 die zur Begründung des Antrags vom 26. Oktober 2017 auf
Erteilung eines Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet
sowie im Verfahren 11 VI 53/17 den Antrag des Beteiligten zu 3
auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses zurückgewiesen.
Auf die Beschwerden des Beteiligten zu 3 hat das Oberlandesgericht,
welches über die Beschwerden in einem einheitlichen Verfahren ohne
förmliche Verbindung entschieden hat, den Antrag der Beteiligten zu 1
und 2 auf Erteilung eines Erbscheins unter Zurückweisung der weitergehenden
Beschwerde zurückgewiesen und auf den Antrag des Beteiligten
zu 3 das Nachlassgericht angewiesen, diesem ein Testamentsvollstreckerzeugnis
zu erteilen. Mit den durch das Beschwerdegericht zugelassenen
Rechtsbeschwerden verfolgt der Beteiligte zu 1 seine zuletzt gestellten
Anträge weiter.

II. Die zulässigen Rechtsbeschwerden haben in der Sache keinen
Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, das Testament der Erblasserin
vom 21. November 2006 sei wirksam. Gesetzliche Erbfolge sei
nicht eingetreten. Der Beteiligte zu 5 habe gemäß § 1944 BGB nicht
wirksam ausgeschlagen. Maßgebliche Personen, auf deren Kenntnis es
ankomme, seien der Beteiligte zu 2 und dessen Ehefrau als gesetzliche
Vertreter. Von der Ausschlagung der Erbschaft durch die Beteiligten zu 1
und 2 hätten die beiden gesetzlichen Vertreter spätestens am 18. März
2017 Kenntnis erlangt. Der Beteiligte zu 2 habe diese Kenntnis bereits
an dem Tag gehabt, an dem er die Erbschaft ausgeschlagen habe. Seine
Ehefrau habe spätestens am 18. März 2017 Kenntnis erlangt. Im Zeitpunkt
der Kenntniserlangung hätten sich beide gesetzliche Vertreter jeweils
in Deutschland aufgehalten. Auch vom Berufungsgrund hätten beide
spätestens am 18. März 2017 Kenntnis erlangt. Dem Beteiligten zu 2
seien, wie sich aus seiner Ausschlagungserklärung ergebe, Testamentsinhalt,
Ausschlagung und die Folge, dass seine Söhne damit nachrückten,
bereits vorher bekannt gewesen. Hierbei sei es unerheblich, ob
er diese Kenntnis gerade in der formalen Position als gesetzlicher Vertreter
des Beteiligten zu 5 erlangt habe. Ungeachtet dessen sei der Auslandsaufenthalt
des Beteiligten zu 2 am 18. März 2017 auch nicht geeignet
gewesen, die Sechsmonatsfrist des § 1944 Abs. 3 BGB in Gang zu
setzen. Jedenfalls in den Fällen eines Auslandsaufenthaltes von wenigen
Stunden ohne Übernachtung sei nicht von einem Aufenthalt im Sinne des
§ 1944 Abs. 3 BGB auszugehen. Besondere Erschwernisse durch den
Auslandsaufenthalt, die die Verlängerung der Frist gemäß § 1944 Abs. 3
BGB rechtfertigten, lägen nicht vor. Anderenfalls bestünde die Gefahr,
dass einem Missbrauch Tür und Tor geöffnet wäre. Auch der vom Beteiligten
zu 3 beantragte Erbschein sei nicht zu erteilen, da die Beteiligten
zu 1 und 2 nicht neben dem Beteiligten zu 5 gesetzliche Erben zu je 1/4
geworden seien. Vielmehr stehe dem die umfassende Ersatzerbeneinsetzung
der Enkelkinder in dem Testament entgegen. Schließlich sei die
angeordnete Testamentsvollstreckung als Dauervollstreckung zu verstehen,
die mit dem Vorerbfall beginnen solle. Die Erblasserin habe ganz
allgemein Testamentsvollstreckung angeordnet. Ihr sei es erkennbar
wichtig gewesen, dass das Vermögen in der Familie bleiben solle. Die
Anordnung, dass der Testamentsvollstrecker im Nacherbfall die Erbteile
der Enkel bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres verwalten solle, sei
allein als zeitliche Begrenzung zu verstehen.

2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Verfahren IV ZB 20/18 (Erbscheinerteilung)

Das Beschwerdegericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass
der Erbscheinantrag der Beteiligten zu 1 und 2 unbegründet ist, weil gesetzliche
Erbfolge infolge der unwirksamen Erbausschlagung durch den
Beteiligten zu 5 als Nacherben/Ersatzerben nicht eingetreten ist.
aa) Gemäß § 1944 Abs. 1 BGB kann die Ausschlagung nur binnen
sechs Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem
der Erbe von dem Anfall und dem Grund der Berufung Kenntnis erlangt
(§ 1944 Abs. 2 Satz 1 BGB). Ist der Erbe durch Verfügung von Todes
wegen berufen, beginnt die Frist nicht vor Bekanntgabe der Verfügung
von Todes wegen durch das Nachlassgericht (§ 1944 Abs. 2 Satz 2
BGB). Die Frist beträgt sechs Monate, wenn der Erblasser seinen letzten
Wohnsitz nur im Ausland gehabt hat oder wenn sich der Erbe bei dem
Beginn der Frist im Ausland aufhält (§ 1944 Abs. 3 BGB). Kenntnis setzt
ein zuverlässiges Erfahren der maßgeblichen Umstände voraus, aufgrund
dessen ein Handeln erwartet werden kann. Ein Irrtum im Bereich
der Tatsachen kann Kenntnis in diesem Sinne ebenso verhindern wie
eine irrige rechtliche Beurteilung, wenn deren Gründe nicht von vornherein
von der Hand zu weisen sind (Senatsurteil vom 5. Juli 2000 - IV ZR
180/99, ZEV 2000, 401 unter 2a [juris Rn. 9]).

(1) Bei einem minderjährigen Erben - wie hier dem Beteiligten
zu 5 im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Schreibens des Nachlassgerichts
vom 16. März 2017 - kommt es nicht auf dessen Kenntnis, sondern auf
die des gesetzlichen Vertreters an. Die Frist zur Ausschlagung der Erbschaft
beginnt in diesen Fällen erst mit dem Zeitpunkt, zu dem der letzte
der gesetzlichen Vertreter erstmals Kenntnis von dem Anfall und dem
Grund der Berufung erlangt hat (OLG Frankfurt ZEV 2013, 196, 197 f.
[juris Rn. 27 ff.]; MünchKomm-BGB/Leipold, 7. Aufl. § 1944 Rn. 15; Staudinger/
Otte, (2017) BGB § 1944 Rn. 14b; a.A. Soergel/Stein, BGB
13. Aufl. § 1944 Rn. 12). Da auch die Ausschlagung der Erbschaft nur
durch beide gesetzliche Vertreter gemeinsam erfolgen kann (vgl.
MünchKomm-BGB/Leipold, 7. Aufl. § 1945 Rn. 35), ist es sachgerecht,
den Zeitpunkt für den Beginn der Ausschlagungsfrist einheitlich festzusetzen.
Nur so kann vermieden werden, dass etwaige Kommunikationsschwierigkeiten
zwischen den Eltern zu Lasten des Minderjährigen gehen.

Diese Grundsätze hat das Beschwerdegericht seiner Entscheidung
rechtsfehlerfrei zugrunde gelegt.

Soweit das Beschwerdegericht in diesem Zusammenhang angenommen
hat, beim Beteiligten zu 2 sei die erforderliche Kenntnis vom
Berufungsgrund bereits vor dem 18. März 2017 vorhanden gewesen,
kann offenbleiben, ob dem in dieser Allgemeinheit gefolgt werden kann.
Nicht entschieden werden muss insbesondere, ob für die Frage der
Kenntniserlangung vom Berufungsgrund auf eine formalisierte Betrachtungsweise
abzustellen ist (vgl. hierzu etwa OLG München ZEV 2011,
318, 319 [juris Rn. 14 f.]) oder ob - wovon das Beschwerdegericht im
vorliegenden Fall ausgeht - maßgebend ist, wann der gesetzliche Vertreter
tatsächlich Kenntnis erhalten hat. Auf diese Ausführungen kommt es
schon deshalb nicht entscheidungserheblich an, weil das Beschwerdegericht
selbst davon ausgeht, dass der Beteiligte zu 2 und seine Ehefrau
als gesetzliche Vertreter jedenfalls spätestens am 18. März 2017 Kenntnis
vom Anfall der Erbschaft und vom Berufungsgrund hatten und die
Sechsmonatsfrist des § 1944 Abs. 3 BGB keine Anwendung finde.

(2) Das Beschwerdegericht hat rechtsfehlerfrei zugrunde gelegt,
dass der Aufenthalt des Beteiligten zu 2 für einige Stunden am 18. März
2017 in Dänemark nicht die Anwendung des § 1944 Abs. 3 BGB zur Folge
hat. Die Verlängerung der Ausschlagungsfrist von sechs Wochen auf
sechs Monate bei letztem Wohnsitz des Erblassers im Ausland oder Aufenthalt
des Erben im Ausland soll den besonderen Schwierigkeiten
Rechnung tragen, die in derartigen Fällen bei Klärung der Frage entstehen
können, ob die Erbschaft angenommen oder ausgeschlagen werden
soll (vgl. OLG Frankfurt ZEV 2013, 196, 198 [juris Rn. 37]; Soergel/Stein,
BGB 13. Aufl. § 1944 Rn. 4). Bei minderjährigen Erben kommt es entgegen
der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht auf deren Auslandsaufenthalt,
sondern auf den des gesetzlichen Vertreters an (Soergel/Stein
aaO; Staudinger/Otte, (2017) BGB § 1944 Rn. 5; MünchKomm-BGB/Leipold,
7. Aufl. § 1944 Rn. 29). Hält sich - wie hier - im maßgeblichen Zeitpunkt
nur einer der beiden gesetzlichen Vertreter im Ausland auf, so genügt
bereits dies für die Anwendung des § 1944 Abs. 3 BGB (Staudinger/
Otte aaO; Soergel/Stein aaO; MünchKomm-BGB/Leipold aaO; BeckOGK/
Heinemann, BGB § 1944 Rn. 18). Das ergibt sich unter Berücksichtigung
der bereits beim Auslandsaufenthalt eines gesetzlichen Vertreters erschwerten
Kommunikation sowie eines längeren Willensbildungsprozes-
ses bei der Prüfung der Frage, ob die Erbschaft angenommen oder ausgeschlagen
werden soll.

Was unter den Begriff des Aufenthalts im Sinne von § 1944 Abs. 3
BGB zu fassen ist, wird nicht einheitlich beurteilt (vgl. FAKomm-Erbrecht/
Schlünder, 4. Aufl. BGB § 1944 Rn. 1; Soergel/Stein, BGB 13. Aufl.
§ 1944 Rn. 4; MünchKomm-BGB/Leipold, 7. Aufl. § 1944 Rn. 29; Staudinger/
Otte, (2017) BGB § 1944 Rn. 5; Hönninger in jurisPK-BGB,
8. Aufl. § 1944 Rn. 13; NK-BGB/Ivo, 5. Aufl. § 1944 Rn. 22).

Maßgebend für den Begriff des Aufenthalts im Sinne von § 1944
Abs. 3 BGB sind einerseits das Verhältnis zu anderen vergleichbaren
Begrifflichkeiten sowie andererseits Sinn und Zweck der gesetzlichen
Regelung. Das Gesetz stellt in § 1944 Abs. 3 BGB beim Erblasser auf
dessen letzten Wohnsitz im Ausland ab, beim Erben dagegen nur auf
den Aufenthalt. Wohnsitz ist gemäß § 7 Abs. 1 BGB der Ort, an dem eine
Person sich ständig niederlässt. Der Wohnsitz wird aufgehoben, wenn
die Niederlassung mit dem Willen aufgehoben wird, sie aufzugeben (§ 7
Abs. 3 BGB). Der Begriff des Aufenthalts unterscheidet sich vom Wohnsitz
dadurch, dass der Wille, den Aufenthaltsort zum Mittelpunkt oder
Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zu machen, nicht erforderlich ist
(Soergel/Fahse, BGB 13. Aufl. Vor § 7 Rn. 16; Staudinger/Kannowski,
(2018) BGB Vorbem. zu §§ 7-11 Rn. 2). Auf dieser Grundlage ist weitgehend
anerkannt, dass für den schlichten Aufenthalt ein tatsächliches
Verweilen an einem bestimmten Ort mit einer gewissen Verweildauer genügt
(vgl. Staudinger/Kannowski aaO, Soergel/Fahse aaO; Staudinger/
Bausback, (2013) EGBGB Art. 5 Rn. 47; Palandt/Ellenberger, BGB 78.
Aufl. § 7 Rn. 2; MünchKomm-BGB/v. Hein, 7. Aufl. Art. 5 EGBGB
Rn. 122 ff.). Ausgehend hiervon ist der Begriff des Aufenthalts im Sinne
von § 1944 Abs. 3 BGB sodann nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift
zu bestimmen. Diese will - wie oben dargelegt - den Kommunikationsproblemen
Rechnung tragen, die sich für den Erben ergeben, wenn er
sich im Zeitpunkt des Fristbeginns im Ausland aufhält, er also die maßgeblichen
Informationen über den Erbfall und dessen tatsächliche sowie
rechtliche Auswirkungen nur unter besonderen Schwierigkeiten erlangen
kann.

Das Beschwerdegericht hat auf der Grundlage dieses zutreffend
erkannten Begriffs des Aufenthalts sowie seines Sinnes und Zwecks
rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Tagesausflug des Beteiligten
zu 2 am 18. März 2017 nach Dänemark nicht genügt, um die längere
Frist des § 1944 Abs. 3 BGB in Gang zu setzen. Jedenfalls in einem Fall
wie dem vorliegenden, bei dem der gesetzliche Vertreter des Erben lediglich
einen geplanten Ausflug für einige Stunden in das unmittelbar benachbarte
Ausland - hier von Nordfriesland nach Dänemark - unternommen
hat, um sodann noch am selben Tag - wie ebenfalls geplant - wieder
nach Deutschland zurückzukehren, besteht für die verlängerte Ausschlagungsfrist
des § 1944 Abs. 3 BGB keine Rechtfertigung. Es ist nicht ersichtlich
und wird auch nicht nachvollziehbar dargelegt, welche besonderen
Kommunikationsschwierigkeiten es hier zwischen dem Beteiligten
zu 2 und seiner Ehefrau als weiterer gesetzlicher Vertreterin des Beteiligten
zu 5 bei der Entscheidung gegeben hat, ob sie die Erbschaft auch
für den Beteiligten zu 5 ausschlagen oder nicht. Hierfür bestand nach der
Rückkehr des Beteiligten zu 2 hinreichend Zeit und Gelegenheit.

Entgegen der Auffassung der Beschwerde kann für die Bestimmung
des Begriffs des Aufenthalts auch nicht auf die Rechtsprechung zu
anderen gesetzlichen Vorschriften zurückgegriffen werden. Soweit es
etwa der Bundesgerichtshof für den Begriff des Aufenthaltsortes im Sinne
des § 899 Abs. 1 ZPO a.F. hat genügen lassen, dass eine vorüberge-
hende kurzfristige Anwesenheit des Schuldners einschließlich einer
Durchreise genügen kann (BGH, Beschluss vom 17. Juli 2008 - I ZB
80/07, NJW 2008, 3288 Rn. 15), ergibt sich dies aus den Besonderheiten
des Vollstreckungsrechts. Die Vorschrift wollte es dem Gerichtsvollzieher
ermöglichen, die eidesstattliche Versicherung dort abzunehmen, wo der
Schuldner im Zeitpunkt der Auftragserteilung seinen Wohnsitz oder in
Ermangelung eines solchen seinen Aufenthaltsort hat. Um eine effektive
Zwangsvollstreckung zu gewährleisten, müssen hierfür auch bereits
kurzfristige Aufenthalte genügen. Das ist mit dem Regelungszweck des
§ 1944 Abs. 3 BGB nicht zu vergleichen. Ebenfalls nicht vergleichbar ist
die zu § 343 Abs. 1 FamFG a.F. ergangene Rechtsprechung. Hiernach
bestimmte sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Wohnsitz, den der
Erblasser zur Zeit des Erbfalles hatte. Fehlte ein inländischer Wohnsitz,
war das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser zur Zeit des
Erbfalls seinen Aufenthalt hatte. Der Begriff des Aufenthalts im Sinne
dieser Norm war weit zu verstehen, so dass auch nur eine kurze Verweildauer
des Erblassers an einem bestimmten Ort vor seinem Tod genügte,
um eine Zuständigkeit der inländischen Gerichte zu begründen
(vgl. etwa OLG Karlsruhe ZEV 2013, 564, 565 [juris Rn. 11]: ein oder
zwei Tage in einem Hospiz; OLG Stuttgart ZEV 2012, 208 [juris Rn. 8]:
Krankenhausaufenthalt; BayOblG Rpfleger 1978, 126; Tod des Erblassers
mit ausländischem Wohnsitz während einer Reise in einem inländischen
Krankenhaus; ferner BayObLG ZEV 2003, 168 [juris Rn. 6]; KG
NJW 1973, 434: Tod des Erblassers während einer Durchreise). Diese
geringen Anforderungen an den Aufenthaltsbegriff des § 343 Abs. 1
FamFG a.F. rechtfertigten sich aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift,
eine Zuständigkeit inländischer Nachlassgerichte auch für Erblasser mit
ausländischem Wohnsitz zu begründen. Hierfür besteht etwa bei der Eröffnung
letztwilliger Verfügungen, bei Sicherungsmaßnahmen oder der
Ermittlung des Erben ein praktisches Bedürfnis. Auch dieser Sinn und
Zweck der Vorschrift ist mit dem Regelungsgehalt des § 1944 Abs. 3
BGB nicht vergleichbar.

bb) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde im Ergebnis ferner
geltend, die verspätete Ausschlagung durch den Beteiligten zu 5 sei jedenfalls
als Anfechtung im Sinne des § 1956 BGB auszulegen. Gemäß
§ 1956 BGB kann die Versäumung der Ausschlagungsfrist in gleicher
Weise wie die Annahme angefochten werden. Auch ist es nicht von
vornherein ausgeschlossen, in einer unwirksamen, etwa verspätet erfolgten,
Ausschlagungserklärung eine Anfechtung der Erbschaftsannahme
wegen Versäumung der Ausschlagungsfrist zu sehen (BeckOGK/Heinemann,
BGB § 1956 Rn. 11; Palandt/Weidlich, BGB 78. Aufl. § 1956
Rn. 1). Ein zur Anfechtung berechtigender Irrtum im Sinne von § 119
Abs. 1 BGB kann ferner darin liegen, dass ein Beteiligter trotz fehlenden
Annahmewillens die Ausschlagungsfrist verstreichen lässt, weil er über
ihr Bestehen, ihren Lauf oder die Rechtsfolgen ihres Ablaufs irrt (Senatsbeschluss
vom 10. Juni 2015 - IV ZB 39/14, ZEV 2015, 468 Rn. 9;
OLG Schleswig ZEV 2016, 82 Rn. 16 f.; OLG Hamm Rpfleger 1985, 364,
365 [juris Rn. 16]).

Ob der Beteiligte zu 2 und seine Ehefrau bis zur Entscheidung des
Beschwerdegerichts am 1. August 2018 keine Kenntnis von dem tatsächlichen
Ablauf der Ausschlagungsfrist hatten, weil sie rechtsirrig von der
Anwendbarkeit der Sechsmonatsfrist in § 1944 Abs. 3 BGB ausgingen,
kann offenbleiben. Es steht jedenfalls nicht fest, dass ein etwaiger Irrtum
des Beteiligten zu 2 und seiner Ehefrau kausal für die Versäumung der
Ausschlagungsfrist geworden ist. Die Anfechtung wegen Fristversäumung
gemäß §§ 1956, 119 Abs. 1 BGB setzt die Kausalität des Irrtums
für die Abgabe der Willenserklärung voraus. Hierbei ist eine objektive
Wertung vorzunehmen, die auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Ausschla-
gungsfrist abstellt (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Juni 2015 - IV ZB
39/14, ZEV 2015, 468 Rn. 10). Hierzu hat der Rechtsbeschwerdeführer
vorgetragen, hätten die Beteiligen Kenntnis von der kurzen Ausschlagungsfrist
gehabt, so hätten sie die Erbschaft rechtzeitig ausgeschlagen.

Dieser Ausschlagung hätte eine erforderliche Zustimmung des Familiengerichts
nicht entgegengestanden. Zum einen wäre eine unterstellte Versagung
der Genehmigung aufgrund der gerichtsbekannten Dauer eines
hiergegen gerichteten Rechtsbehelfs nicht vor Eintritt der Volljährigkeit
des Beteiligten zu 5 rechtskräftig geworden. Zum anderen hätte das Familiengericht
die Ausschlagung genehmigen müssen. Es hätte nicht isoliert
auf den finanziellen Vorteil eines Erbschaftsanfalls abheben dürfen,
sondern in den Blick nehmen müssen, dass bei einem solchen Anfall das
Einvernehmen innerhalb der Familie nachhaltig gestört worden wäre. Der
Beteiligte zu 5 hätte sich Pflichtteilsansprüchen der Beteiligten zu 1 und
2 ausgesetzt gesehen.

Diese Ausführungen des Beteiligten zu 1, die erstmals im Rechtsbeschwerdeverfahren
erfolgen, beruhen indessen auf reinen Spekulationen
und sind deshalb unerheblich. Hätten der Beteiligte zu 2 sowie seine
Ehefrau innerhalb der laufenden Sechswochenfrist des § 1944 Abs. 1
BGB die Ausschlagung für den Beteiligten zu 5 erklärt, so hätte dies wegen
seiner seinerzeitigen Minderjährigkeit eine Genehmigung des Familiengerichts
erfordert (§ 1643 Abs. 2 Satz 1 BGB). Es ist nicht ersichtlich,
warum das Familiengericht die Ausschlagung der infolge der Ausschlagung
seitens der Beteiligten zu 1 und 2 nunmehr eingetretenen Vollerbenstellung
des Beteiligten zu 5 hätte genehmigen müssen. Der Nachlass
der Erblasserin ist werthaltig. Die bloße Belastung mit Pflichtteilsansprüchen
oder das behauptete gestörte familiäre Verhältnis mussten das
Familiengericht jedenfalls nicht zwingend zu einer Genehmigung der
Ausschlagung veranlassen. Die Ausführungen der Rechtsbeschwerde zu
einer möglichen Dauer eines Rechtsbehelfsverfahrens gegen eine Versagung
der Ausschlagung beruhen ebenfalls auf bloßen Mutmaßungen.
Eine Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist kommt mithin
bereits wegen nicht feststehender Kausalität des Irrtums für die versäumte
Ausschlagungsfrist nicht in Betracht.

Der gesamte hier vorgetragene Sachverhalt einschließlich des
Auslandsaufenthalts des Beteiligten zu 2 am 18. März 2017 sowie der
erst kurz vor Volljährigkeit des Beteiligten zu 5 erklärten Erbausschlagung
für diesen durch den Beteiligten zu 2 und seine Ehefrau mit der
nachträglichen Genehmigung nach Volljährigkeit des Beteiligten zu 5 beruht
darauf, einer möglichen Versagung der Genehmigung der Ausschlagung
durch das Familiengericht zu entgehen. Die Beteiligten haben unumwunden
eingeräumt, dass es Ziel ihrer gesamten Ausschlagungen
gewesen sei, das Testament der Erblasserin mit der Vorerbeneinsetzung
der Beteiligten zu 1 und 2 sowie der Nacherbeneinsetzung der Beteiligten
zu 4 und 5 zu umgehen, um im Ergebnis zu der gewünschten Alleinerbenstellung
der Beteiligten zu 1 und 2 zu gelangen, vgl. Schriftsatz
vom 27. Juni 2018, GA 92 f. der Akte 11 VI 66/17. Das Beschwerdegericht
spricht hier ausdrücklich von einem kollusiven Zusammenwirken
und hat, ohne dass dies aus Rechtsgründen zu beanstanden wäre, einen
Umgehungsversuch festgestellt.

b) Verfahren IV ZB 21/18 (Testamentsvollstreckerzeugnis)
Ohne Erfolg bleibt auch die weitere Rechtsbeschwerde des Beteiligten
zu 1, soweit er sich gegen die Stattgabe des Antrags des Beteiligten
zu 3 auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses richtet.
Die Beschwerde vertritt hierzu die Auffassung, die Anordnung der Testamentsvollstreckung
greife nicht ein, weil sich die Erbfolge nach dem
Gesetz richte. Dies ist indessen mangels wirksamer Erbausschlagung
des Beteiligten zu 5 - wie oben im Einzelnen dargelegt - nicht der Fall.
Die weiteren Ausführungen des Beschwerdegerichts zur Anordnung der
Testamentsvollstreckung sowie zur Auslegung ihres Umfangs werden
von der Rechtsbeschwerde zu Recht nicht angegriffen.

III. Die Kostenentscheidung für das Rechtsbeschwerdeverfahren
beruht auf § 84 FamFG.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

16.01.2019

Aktenzeichen:

IV ZB 20+21/18

Rechtsgebiete:

Annahme und Ausschlagung der Erbschaft

Normen in Titel:

BGB § 1944 Abs. 3