BFH 09. Oktober 2003
V R 5/03
UStG 1993 § 4 Nr. 8 Buchst. a; Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1

Begriff der umsatzsteuerfreien Kreditvermittlung

DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 5r5_03
letzte Aktualisierung: 19.11.2003
5r5_03
BFH
V R 5/03
09.10.2003
UStG 1993 § 4 Nr. 8 Buchst. a; Richtlinie 77/388/EWG
Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1
Begriff der umsatzsteuerfreien Kreditvermittlung
Eine steuerfreie Kreditvermittlung liegt nur vor, wenn die
Leistung an eine Partei des Kreditvertrags (Kreditgeber oder
Kreditnehmer) erbracht wird und von dieser als eigenständige
Mittlertätigkeit vergütet wird; der Leistung muss also ein entgeltlicher
Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen dem leistenden Unternehmer und
dem Kreditgeber oder Kreditnehmer zugrunde liegen. Für das
Vorliegen einer Vermittlungsleistung reicht nicht aus, dass der
leistende Unternehmer im Auftrag eines Dritten das Erforderliche tut,
damit zwei Parteien einen Kreditvertrag schließen.


BUNDESFINANZHOF
Begriff der umsatzsteuerfreien Kreditvermittlung
Eine steuerfreie Kreditvermittlung liegt nur vor, wenn die
Leistung an eine Partei des Kreditvertrags (Kreditgeber oder
Kreditnehmer) erbracht wird und von dieser als eigenständige
Mittlertätigkeit vergütet wird; der Leistung muss also ein
entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen dem
leistenden Unternehmer und dem Kreditgeber oder Kreditnehmer
zugrunde liegen. Für das Vorliegen einer Vermittlungsleistung
reicht nicht aus, dass der leistende Unternehmer im Auftrag
eines Dritten das Erforderliche tut, damit zwei Parteien einen
Kreditvertrag schließen.
UStG 1993 § 4 Nr. 8 Buchst. a
Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1
Urteil vom 9. Oktober 2003
V R 5/03
Vorinstanz: FG Brandenburg vom 11. Dezember 2002
(EFG 2003, 492)
1 K 598/01
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der zuvor 17 Jahre
in der Kreditabteilung einer Bank beschäftigt gewesen war,
schloss Ende 1993 mit X einen Repräsentantenvertrag, wonach es
ihm als selbständigem Handelsvertreter oblag, Finanzierungen
für Kunden der X vorzubereiten. Hierfür erhielt er von X die
notwendigen Informationen, anhand derer er sodann einen
Finanzierungsplan aufstellte. Dieser umfasste unter anderem
die Höhe und die Laufzeit der Finanzierung, die Möglichkeit,
Zwischentilgungen vorzunehmen, den Eigenkapitaleinsatz, die
Zinsbindungen und die Tilgungspläne. Bei der Planung zeigte
der Kläger unterschiedliche "Szenarien" auf, je nach dem wie
die einzelnen Faktoren gewichtet würden. Dem Kläger stand die
für derartige Berechnungen erforderliche Software zur
Verfügung. Sodann wählte er aus der Angebotspalette der Banken
die gemessen an den Vorstellungen der Kunden optimale
Finanzierung aus. Die Kreditverträge kamen zwischen den Kunden
und der Bank direkt zustande, wobei die Banken die Verträge in
der Regel anhand der Vorarbeiten des Klägers entwarfen und ihm
die Entwürfe in sein Büro übersandten, wo sie von den Kunden
unterschrieben wurden. Die Provisionen für die Kreditvermittlungen zahlten die Banken an X, von der der Kläger ein
monatliches Provisionsfixum bezog. Zum Teil erhielt der Kläger
von X auch erfolgsabhängige Provisionen. In seinen
Steuererklärungen behandelte der Kläger die Provisionen als
steuerfreie Umsätze gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. a des
Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG).
Das damals für den Kläger zuständige Finanzamt vertrat im
Anschluss an eine Betriebsprüfung die Auffassung, bei den
Provisionen handele es sich gemäß Abschn. 57 Abs. 8 der
(BFHE 177, 161, BStBl II 1995, 427) um steuerpflichtige sonstige Leistungen. Für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung
sei es erforderlich, dass der Kläger im eigenen Namen als Kreditvermittler auftrete. Daraufhin änderte das seinerzeit für
den Kläger zuständige Finanzamt die Umsatzsteuerbescheide für
die Jahre 1994 bis 1996 entsprechend.
Die Einsprüche wurden von dem mittlerweile zuständigen Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) verworfen. Das
Finanzgericht (FG) gab der daraufhin erhobenen Klage statt. Es
bejahte eine nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG steuerfreie
Kreditvermittlung; es komme allein auf die Art der Tätigkeit
an, ohne Bedeutung sei, unter wessen Namen die Leistungen
ausgeführt würden (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte
--EFG-- 2003, 492).
Hiergegen wendet sich das FA mit der vorliegenden Revision.
Es beantragt Aufhebung der Vorentscheidung und Klageabweisung.
Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.
II.
Die Revision ist begründet. Die Leistung, die der Kläger an X
erbracht hat, ist keine steuerfreie Kreditvermittlung, sondern
eine sonstige steuerpflichtige Leistung.
1. Gemäß § 4 Abs. 8 Buchst. a UStG sind von den unter § 1
Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden Umsätzen steuerfrei die Gewährung
und Vermittlung von Krediten.
Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) in das nationale Recht um;
sie ist deshalb richtlinienkonform auszulegen. Da die Tatbestandsvoraussetzungen der Steuerbefreiungen nach der
Richtlinie 77/388/EWG autonome Begriffe des
Gemeinschaftsrechts darstellen (vgl. Gerichtshof der
Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- Urteil vom 5. Juni 1997
Rs. C-2/95, SDC, Slg. 1997, I-3017, Umsatzsteuer-Rundschau
--UR-- 1998, 64), kann die frühere Rechtsprechung des BFH, der
Begriff "Vermittlung" in § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG bestimme
sich nach dem gleichnamigen bürgerlichrechtlichen Begriff in
§ 652 des Bürgerlichen Gesestzbuchs --BGB-- (vgl. BFH in BFHE
177, 161, BStBl II 1995, 427), mit dieser Begründung nicht
aufrecht erhalten werden.
Nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG
befreien die Mitgliedstaaten "die Gewährung und Vermittlung
von Krediten und die Verwaltung von Krediten durch die
Kreditgeber" von der Umsatzsteuer.
Zum Begriff der "Vermittlung" in Art. 13 Teil B Buchst. d
Nr. 5 der Richtlinie 77/388/EWG hat der EuGH in seinem Urteil
vom 13. Dezember 2001 Rs. C-235/00, CSC Financial Services
(Slg. 2001, I-10237 = UR 2002, 84 mit Anm. Wäger) wörtlich
ausgeführt:
"37. Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nummer 5 der Sechsten
Richtlinie enthält keine Definition des Ausdrucks Ver38. ...
39. Ohne dass die genaue Bedeutung des Begriffes Vermittlung ermittelt werden müsste, der auch in anderen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie, und zwar in Artikel 13
Teil B Buchstabe d Nummern 1 bis 4, auftaucht, ist festzustellen, dass sich dieser Begriff im Rahmen der Nummer
5 auf eine Tätigkeit bezieht, die von einer Mittelsperson
ausgeübt wird, die nicht den Platz einer Partei eines
Vertrages über ein Finanzprodukt einnimmt und deren Tätigkeit sich von den typischen vertraglichen Leistungen
unterscheidet, die von den Parteien solcher Verträge erbracht werden. Denn die Vermittlungstätigkeit ist eine
Dienstleistung, die einer Vertragspartei erbracht und von
dieser als eigenständige Mittlertätigkeit vergütet wird.
Sie kann u. a. darin bestehen, der Vertragspartei die Gelegenheiten zum Abschluss eines solchen Vertrages nachzuweisen, mit der anderen Partei Kontakt aufzunehmen oder
im Namen und für Rechnung des Kunden über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen zu verhandeln. Zweck
dieser Tätigkeit ist es also, das Erforderliche zu tun,
damit zwei Parteien einen Vertrag schließen, ohne dass
der Vermittler ein Eigeninteresse am Inhalt des Vertrages
hat.
40. Dagegen handelt es sich nicht um eine Vermittlungstätigkeit, wenn eine der Vertragsparteien einen Subunternehmer mit einem Teil der mit dem Vertrag verbundenen
Sacharbeit betraut, wie der Erteilung von Informationen
an die andere Partei oder der Annahme und Bearbeitung der
Anträge auf Zeichnung der Wertpapiere, die Gegenstand des
Platz einer Vertragspartei einnimmt, im Sinne der fraglichen Bestimmung.
41. Nach alledem ist dem vorlegenden Gericht zu antworten, dass Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nummer 5 der
Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass
Pflichten der Parteien in Bezug auf Wertpapiere zu begründen, zu ändern oder zum Erlöschen zu bringen,
Erteilung von Informationen über ein Finanzprodukt und
gegebenenfalls die Annahme und Bearbeitung der Anträge
auf Zeichnung der entsprechenden Wertpapiere beschränken
und nicht deren Ausgabe umfassen."
Nach Ansicht des Senats gelten diese Ausführungen für die
"Vermittlung von Krediten" i.S. des § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG,
Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG entsprechend.
Demnach liegt eine steuerfreie Kreditvermittlung nur vor, wenn
die Leistung an eine Partei des Kreditvertrags (Kreditgeber
oder Kreditnehmer) erbracht wird und von dieser als eigenständige Mittlertätigkeit vergütet wird (vgl. Randnr. 39 des EuGHUrteils in Slg. 2001, I-10237); der Leistung muss also ein
entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen dem leistenden Unternehmer und dem Kreditgeber oder Kreditnehmer zugrunde
liegen. Für das Vorliegen einer Vermittlungsleistung reicht
nicht aus, dass der leistende Unternehmer im Auftrag eines
Dritten das Erforderliche tut, damit zwei Parteien einen Kreditvertrag schließen.
oder mit den Kreditnehmern tätig, sondern aufgrund eines entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrags mit X. Er hat deshalb
seine Leistungen nicht an die Banken oder die Kreditnehmer,
sondern an X erbracht. Die Leistungen sind somit keine Kreditvermittlungen i.S. des § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG.
3. Dies steht im Ergebnis im Einklang mit der Entscheidung des
BFH in BFHE 177, 161, BStBl II 1995, 427, wonach eine steuerfreie Vermittlung von Krediten i.S. des § 4 Nr. 8 Buchst. a
UStG nur der ausführt, wer gegenüber den künftigen
Vertragsparteien des Kreditvertrags als selbständiger
Vermittler auftritt.
Dem FG ist zwar einzuräumen, dass der EuGH im Urteil SDC (Slg.
1997, I-3017 Randnrn. 32 und 48) gemeint hat, die nach Art. 13
Teil B Buchst. d Nrn. 3 und 5 der Richtlinie 77/388/EWG befreiten Umsätze seien durch die Art der erbrachten Leistungen
und nicht durch den Erbringer oder Empfänger der Leistung
definiert. In diesem Urteil ging es aber allgemein um die
Frage, ob das klagende Rechenzentrum an seine Mitglieder
(Sparkassen und Banken) die in diesen Bestimmungen näher
bezeichneten Umsätze im Zahlungs- und Überweisungsverkehr
sowie Wertpapierumsätze erbrachte. Dabei ging es aber nicht um
die Vermittlungstätigkeit; dieser Begriff wird im Urteil CSC
Financial Services (Slg. 2001, I-10237) näher untersucht.
Aus dem Urteil SDC in Slg. 1997, I-3017 kann deshalb nicht geschlossen werden, dass ein Kreditvermittler seine Leistungen
auch an eine andere Person als eine Partei des (künftigen)
Kreditvertrags erbringen kann.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BFH

Erscheinungsdatum:

09.10.2003

Aktenzeichen:

V R 5/03

Rechtsgebiete:

Umsatzsteuer

Normen in Titel:

UStG 1993 § 4 Nr. 8 Buchst. a; Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1