BGH 05. März 1985
IVa ZR 171/83
BGB §§ 2147, 315, 316, 328 ff.

Auslegung eines Änderungsvorbehalts in einem Überlassungsvertrag

Aus dem Tatbestand:
Mit notariellem „Grundstückskaufvertrag über eine sofort zu bebauende Grundstücksfläche" vom 18. Dezember 1979 verkaufte der Beklagte der Klägerin eine noch zu vermessende Trennfläche von ca.
1 450 qm aus dem Flurstück 63/8 der Gemarkung S. in R. „zum Zwecke
der Bebauung" für 75 DM je Quadratmeter (= 108 750 DM). Auf dem
Grundstück sollte nach dem Vertrag steuerbegünstigter Wohnraum
errichtet werden. Die Klägerin ist inzwischen Eigentümerin des Kaufobjektes.
Im Januar 1980 beantragte die Klägerin beim zuständigen Bauordnungsamt die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung von
zwei Einfamilienhäusern auf dem erworbenen Grundstück. Unter
dem 18. Juli 1980 wies die Baubehörde die Klägerin darauf hin, daß
mit einer positiven Stellungnahme zu den Bauanträgen nicht gerechnet werden könne. Mit Bescheid vom 9. Oktober 1980 versagte der
Landrat — Bauordnungsamt — die Baugenehmigung. Hiergegen erhob die Klägerin vor dem zuständigen Verwaltungsgericht Klage.
Nachdem der beklagte Landrat mit Schriftsatz vom 4. Dezember 1981
mitgeteilt hatte, es sei beabsichtigt, der Klägerin die Baugenehmigung zu erteilen, wurde das Verwaltungsstreitverfahren nicht weiter
betrieben.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Rückgängigmachung des
Kaufvertrages in Anspruch. Sie hat Rückzahlung des Kaufpreises
nebst 10,5% Zinsen seit dem 1. August 1980 Zug um Zug gegen
Rückauflassung des verkauften Grundstücks verlangt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat
das Oberlandesgericht lediglich die Verpflichtung zur Zinszahlung
von 10,5% auf 4% herabgesetzt.
Die Revision der Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Aus den Gründen:
1. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, die
Klägerin könne vom Beklagten gemäß §§ 459, 462 BGB
Rückgängigmachung des Kaufvertrages verlangen. Dem
Grundstück habe im Zeitpunkt der Übergabe eine vom Verkäufer zugesicherte Eigenschaft gefehlt. Aus dem Vertragsinhalt ergebe sich, daß der Beklagte für die sofortige Bebaubarkeit des Grundstücks habe einstehen wollen. Diese habe
aber im Zeitpunkt der Übergabe — am 15. Januar 1980 — gefehlt. Unter ,sofortiger Bebaubarkeit" sei zu verstehen, daß
mit der Bebauung in Kürze, d.h. unverzüglich nach Ablauf
des Baugenehmigungsverfahrens, das erfahrungsgemäß
einige Monate in Anspruch nehme, begonnen werden könne.
Die Klägerin habe dementsprechend darauf vertrauen dürfen, daß der Bebauung keine Hindernisse öffentlich-rechtlicher Natur entgegenstünden und daß die — am Tag der
Übergabe beantragte — Baugenehmigung alsbald erteilt
werde. Der Beklagte habe mithin die Gewährleistung auch
dafür übernommen, daß keine zeitlichen Hemmnisse durch
eine etwaige rechtswidrige Versagung der Baugenehmigung
aufträten, die erst durch ein zeitraubendes Verwaltungsstreitverfahren hätten beseitigt werden können. Spätestens
mit der Versagung der Baugenehmigung durch Bescheid
vom 9. Oktober 1980 habe festgestanden, daß dem Grundstück die zugesicherte Eigenschaft der sofortigen Bebaubarkeit gefehlt habe.
2. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten der
rechtlichen Überprüfung nicht stand:
Rechtsfehlerfrei ist zwar die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe vertraglich die sofortige Bebaubarkeit des verkauften Grundstücks in dem Sinne zugesagt, daß
mit der Bebauung unverzüglich nach Abschluß des Baugenehmigungsverfahrens begonnen werden könne. Die vom
Berufungsgericht insoweit vorgenommene Auslegung ist
möglich; Auslegungsfehler sind nicht ersichtlich, insbesondere ist nicht dargetan, daß Auslegungsstoff übersehen worden sei. Ob die Klägerin sich vor Abschluß des Kaufvertrages mit der zuständigen Bauordnungsbehörde zwecks Abklärung der Bebaubarkeit in Verbindung gesetzt hatte oder
ob der Text des notariellen Vertrages im wesentlichen auf
die Formulierungsvorschläge der Klägerin zurückgeht, steht
der Annahme einer Bebaubarkeitszusicherung durch den
Beklagten nicht entgegen.
Dem angefochtenen Urteil kann aber insoweit nicht gefolgt
werden, als das Berufungsgericht annimmt, der Beklagte
habe vertraglich auch dafür einstehen wollen, daß bei objektiv bestehender Bebaubarkeit keine zeitlichen Hemmnisse
für die Bebauung durch eine rechtswidrige Versagung der
Baugenehmigung auftreten, die erst durch ein Verwaltungsstreitverfahren beseitigt werden könnten.'
Wer die sofortige Bebaubarkeit eines Grundstücks vertraglich zusichert, will nach der Lebenserfahrung im allgemeinen dafür einstehen, daß der Bebauung im maßgebenden
Zeitpunkt der Übergabe des Kaufobjektes keine objektiven
baurechtlichen Hindernisse entgegenstehen. Ob die Baugenehmigungsbehörde bei objektiv bestehender Bebaubarkeit
die Erteilung der Baugenehmigung rechtswidrig verweigern
oder sachwidrig verzögern wird, entzieht sich in der Regel
der vorausschauenden Würdigung und Beurteilung durch
den Zusichernden. Die Übernahme der Einstandspflicht für
ein rechtmäßiges Verhalten der Bauordnungsbehörde durch
einen Verkäufer ist daher ungewöhnlich und geht weit über
die normale Zusicherung der Bebaubarkeit hinaus. Ist eine
so weitgehende Gewährleistung, die nichts mehr mit der Zusicherung einer „Eigenschaft der Kaufsache" zu tun hätte,
dem Kaufvertrag nicht ausdrücklich zu entnehmen, so muß
der Tatrichter bei der Auslegung der Willenserklärung der
Beteiligten aus dem festgestellten Parteivortrag die Umstände und Anhaltspunkte aufzeigen, die den Schluß auf den
Willen zur Abgabe einer vom Üblichen abweichenden Zusicherung durch den Verkäufer rechtfertigen. Das ist nichtgeschehen. Den Ausführungen des Berufungsgerichts ist insbesondere nicht zu entnehmen, ob die Klägerin gegenüber
dem Beklagten ihr Interesse an einem unverzüglichen, durch
sachfremdes und rechtswidriges Verhalten der Bauordnungsbehörde nicht beeinträchtigten Baubeginn klar zum
Ausdruck gebracht und der Beklagte hierzu zu erkennen gegeben hat, er stehe für eine sofortige, durch rechtswidriges
Verhalten der Behörde nicht verzögerte Erteilung der Baugenehmigung ein.
5. BGB §§ 2147, 315, 316, 328 ff. (Auslegung eines Änderungsvorbehalts in einem Überlassungsvertrag)
Zur Auslegung der Klausel in einem Grundstücksüberlas.
sungsvertrag, in der sich der Erblasser vorbehalten hat, statt
der vereinbarten Anrechnung bei der späteren Erbauseinandersetzung testamentarisch eine andere Regelung zu treffen.
BGH, Urteil vom 6.3.1985 — IVa ZR 171/83 — mitgeteilt von
D. Bundschuh, Richter am BGH
Aus dem Tatbestand:
Der am 14. August 1978 verstorbene Vater der Parteien war Eigentümer eines Grundstücks in S. Durch notariellen „Grundstücksüberlassungsvertrag" vom 15. Januar 1968 überließ er hiervon dem Beklagten ein Trenngrundstück zur Bebauung mit einem Bungalow.
Unter anderem wurde im Vertrag bestimmt:
„5.2
Ein Entgelt wird nicht gezahlt, jedoch muß sich der Übernehmer den
Gegenwert des übernommenen Trennstücks, wie er zur Zeit maßgebend ist, bei der Erbauseinandersetzung mit seinen drei Geschwistern anrechnen lassen.
MittBayNot 1985 Heft 3 119


Der Überlassung (richtig wohl: Überlasser) behält sich jedoch vor,
testamentarisch oder auf andere Weise eine andere Regelung zu treffen"
Der Beklagte wurde Ende 1969/Anfang 1970 im Grundbuch als Eigentümer eingetragen. Am 21. November 1972 errichtete der Vater der
Parteien ein notarielles Testament. Darin bestimmte er neben anderem:
„Zu meinem alleinigen Erben setze ich meinen Sohn Herrn A. (Kläger)
... ein.
Mein Sohn J. (Beklagter) hat vor einiger Zeit bereits ein etwa 900 qm
großes unbebautes Gelände von mir aufgelassen erhalten. Statt der
bei dieser Gelegenheit gemachten Auflage einer Abfindung der Geschwister soll jetzt allgemein für meine vier Kinder folgende Regelung gelten:
Nach meinem Töd soll der Zeitwert des Grund und Bodens meines
Grundstücks (das darauf stehende Gebäude ist völlig wertlos) und
der Zeitwert des Grund und Bodens des Grundstücks meines Sohnes
J., festgestellt werden, notfalls mit Hilfe eines Sachverständigen.
Dieser Wert wird unter die vier Kinder zu je 1/4 aufgeteilt. Da J. und
A. Eigentümer des Grund und Bodens sind bzw. werden, müssen sie
untereinander und im Verhältnis zu ihren beiden Schwestern L. und
H. einen Ausgleich in Geld vornehmen."
Im Jahre 1977 verkaufte der Vater der Parteien das ihm verbliebene
Restgrundstück. Der beurkundete Kaufpreis betrug 90.000 DM. Diese
Summe überließ er dem Kläger, der den beiden Schwestern und dem
Vater „lebtägliche unentgeltliche" Wohnrechte an Wohnungen in seinem Mehrfamilienhaus einräumte. Etwa zwei Jahre nach dem Vater
verstarb die Schwester L.
Gestützt auf die Anordnungen im Testament begehrt der Kläger vom
Beklagten Zahlung in Höhe von 1/3 des Wertes des Trenngrundstücks. Er ist der Auffassung, sein Vater habe den Beklagten verpflichtet, seine drei Geschwister zu je 1/4 am Wert der Schenkung zu
beteiligen. Nach dem Tod der Schwester habe sich sein Anteil auf 1/3
erhöht.
Die zuletzt auf 36.000,— DM bezifferte Zahlungsklage ist in beiden
Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Die zugelassene Revision des
Klägers führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Aus den Gründen:
II. 1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, als Anspruchsgrundlage komme hier allein ein Vermächtnis (§§ 2147, 2150,
2174 BGB) in Betracht. Im Ergebnis sei jedoch ein Anspruch
des Klägers auf Erfüllung eines Vermächtnisses zu verneinen. Fraglich sei schon, ob der Erblasser den Beklagten mit
einem Vermächtnis habe belasten können (§ 2147 BGB).
Erbe sei der Beklagte nicht. Der Wortlaut des notariellen
Testamentes und die Umstände seiner Erstellung ließen keinen Raum für eine derartige Annahme. Schenkungsempfänger könnten mit Vermächtnissen nicht belastet werden. Ob
der Vorbehalt im Überlassungsvertrag vom 15. Januar 1978
hieran etwas ändere, sei zweifelhaft, da das Schenkungsgeschäft ausgehöhlt würde, wenn der Erblasser nachträglich
dem Beklagten hätte .Pflichten auferlegen dürfen, die bei
Vertragsschluß nicht annähernd bestimmt gewesen seien.
Entscheidend sei aber, daß die letztwillige Verfügung vom,
21. November 1972 kein Vermächtnis zu Gunsten des Klägers enthalte. Der Wille des Erblassers müsse im Testament
irgendwie seinen Ausdruck gefunden haben. Daran fehle es.
Der Erblasser sei bei der Testamentserrichtung davon ausgegangen, daß der Kläger als sein Erbe das Restgrundstück erhalten werde und daher lediglich die beiden Schwestern abzufinden seien. Dagegen habe eine Beteiligung des Klägers
am Wert des dem Beklagten gehörenden Trenngrundstücks
nicht der Vorstellung des Erblassers entsprochen. Das Testament habe weiterhin nur vorgesehen, daß die beiden Brüder untereinander einen Wertausgleich vornehmen. Sollte
der Erblasser den Willen zu einer weitergehenden Verpflichtung des Beklagten bekundet haben, so sei dieser jedenfalls
nicht formwirksam niedergelegt worden.
2. Die Revision beanstandet, daß das Berufungsgericht die
Prüfung der Anordnungen des Erblassers vor der Zeit abgebrochen und eine ergänzende Testamentsauslegung im Hinblick auf die spätere Änderung der Verhältnisse durch die
Veräußerung des Restgrundstückes nicht in Betracht gezogen hat. In der Tat hätte dies vom Rechtsstandpunkt des Tatrichters aus nahegelegen.
Auch eine ergänzende Auslegung des Testaments hätte indessen nicht zu einem anderen Ergebnis führen können;
denn der Erblasser konnte den Beklagten nicht wirksam mit.
einem Vermächtnis zu Gunsten des Klägers beschweren.
Nach § 2147 BGB kann der Erblasser mit letztwilliger Verfügung nur Erben oder Vermächtnisnehmer belasten. Seine
Anordnungen begründen eine Verpflichtung somit nur dann,
wenn dem Beschwerten die Stellung eines Erben zukommt
oder ihm von Todes wegen ein eigener Anspruch zugewendet wird. Nicht beschwert werden können dagegen nur aus
Pflichtteilsrecht Begünstigte und Dritte, selbst wenn diese
vom Erblasser durch Rechtsgeschäft unter Lebenden eine
unentgeltliche Zuwendung erhalten haben (Erman/Hense,
BGB 7. Aufl. § 2147 Rdnr. 4; MünchKomm/Skibbe § 2147
Rdnr. 5, 7; Soergel/Wolf, BGB 11. Aufl. § 2147 Rdnr. 5, 7; BGBRGRK/Johannsen 12. Aufl. § 2147 Rdnr. 9). Davon macht die
Möglichkeit, den Begünstigten eines Hofübergabevertrages
mit einem Vermächtnis zu beschweren, nur scheinbar eine
Ausnahme. Hier ist wegen des § 17.Abs. 2 HöfeO zugrundeliegenden Gedankens die vorweggenommene Hoferbfolge
einem Anfall des Hofes beim Erbfall gleichzusetzen (BGHZ
37, 192, 194; LM HöfeO § 17 Nr. 20 Anm. Hückinghaus;
Johannsen WM 1972, 868 f.). Die Voraussetzungen dieses
Sonderfalles liegen hier nicht vor.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts wurde der Beklagte
durch die Anordnungen des Erblassers in dem Testament
vom 21. November 1972 enterbt. Diese Auslegung wird von
der Revision nicht _angegriffen und enthält auch keine
Rechtsfehler. Der Kläger kann zur Begründung seines Klageanspruchs auch nicht geltend machen, der Beklagte sei als
Vermächtnisnehmer anzusehen. Dies gilt selbst dann, wenn
bei Anordnung des Wertausgleichs noch offen war, welchem
der beiden Grundstücke ein höherer Wert zukomme, und der
Wertausgleich nach dem Willen des Erblassers in Geld hätte
erfolgen sollen. Ein derartiges Vermächtnis setzte voraus,
daß der Kläger eine höherwertige Zuwendung erhielte, und
wäre deshalb notwendigerweise mit der Freiheit des Beklagten von Vermächtnisansprüchen des Klägers verbunden. Ein
eigener Anspruch des Klägers wiederum erforderte einen
Sachverhalt, bei dem ein Vermächtnis zugunsten des Beklagten ausgeschlossen wäre.
III. Dagegen beanstandet die Revision zu Recht, daß das Berufungsgericht Ansprüche aus einem lebzeitigen Rechtsgeschäft des Beklagten mit dem Erblasser, die der Kläger als
dessen Rechtsnachfolger•oder aus eigenem Recht (§§328
ff. BGB) geltend machen könnte, nicht prüft. Die Anordnungen im Testament — möglicherweise auch die angeblichen
späteren Äußerungen des Erblassers — lassen sich nicht
nur als letztwillige Verfügungen verstehen, sondern auch als
Ausübung eines dem Erblasser im Verhältnis zum Beklagten
vertraglich eingeräumten Leistungsänderungs- und -bestimmungsrechts. Solche Erwägungen liegen hier nahe. Deshalb
bedurfte es vorab einer Auslegung des Überlassungsvertrages vom 15. Januar 1968, insbesondere auch des dort zugunsten des Erblassers aufgenommenen Änderungsvorbehalts.
MittBayNot 1985 Heft 3
15. Januar 1968 reicht, ob damit insbesondere dem Erblasser die Möglichkeit eröffnet werden sollte, statt der im Vertrag vereinbarten Anrechnung des Wertes des überlassenen
Trennstücks beim künftigen Erbfall auch eine Pflicht des Beklagten zur Zahlung einer Wertdifferenz festzulegen. Aus
Rechtsgründen ist eine solche Auslegung nicht von vornherein auszuschließen. Sie würde nicht — wie das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang meint — zu einer unzulässigen Aushöhlung der Schenkung führen. Denn zum
einen bliebe die Überlassung auch bei einem Wertausgleich
für den Beklagten vorteilhaft. Zum anderen kann erst eine
Auslegung ergeben, ob und inwieweit der Überlassungsvertrag unentgeltlichen Charakter haben und behalten sollte.
Rechtlich möglich ist es, dem Gläubiger in einem gegenseitigen Vertrag vorzubehalten, die zunächst vereinbarte
(Gegen-)Leistung durch eine andere zu ersetzen oder überhaupt erst eine solche festzulegen. Möglich ist es auch, ihm
dabei zu überlassen, den Inhalt der anderen Leistung entsprechend §§ 315 Abs. 1, 316 BGB zu bestimmen. Denkbar
ist auch, daß die so bestimmte Gegenleistung in der Zahlung an einen Dritten besteht. Daß eine solche Neubestimmung der Leistung durch — dem Beklagten nicht zugegangene — letztwillige Verfügung erfolgte, kann unschädlich
sein. Denn § 315 Abs. 2 BGB, der an sich den Zugang einer
Leistungsbestimmung an den Vertragspartner voraussetzt,
enthält — wie die ganze Vorschrift — nachgiebiges Recht
(Pa/andt1Heinrichs, BGB 44. Aufl. § 315 Anm. 3 b). Der Erblasser hatte sich eine anderweite Bestimmung durch letztwillige Verfügung ausdrücklich vorbehalten. Schließlich stellten
sich insoweit auch keine Formprobleme im Hinblick auf
§ 313 BGB (RGZ 165, 161, 163; BGH Urteile vom 30. Juni 1967
— V ZR 104/64 = BB 1967, 1394; vom 28. Februar. 1968 — V
ZR 206/64 = LM BGB § 313 Nr. 33 [= DNotZ 1968, 546]). Für
die danach zu treffende Auslegung kann von Bedeutung
sein, ob es Anhaltspunkte dafür gibt, daß der Erblasser
schon bei Abschluß des Überlassungsvertrages im Auge
hatte, seine Kinder evtl. später im wesentlichen gleich zu bedenken, und welche Vorstellungen er damals vom Wert des
ganzen Grundstücks und des Trennstücks hatte. Dazu bedarf
es weiterer tatsächlicher Aufklärung. Der Senat kann daher
nicht in der Sache selbst entscheiden.
Sollte die Auslegung ergeben, daß der Vorbehalt in dem
Überlassungsvertrag auch die nachträgliche Bestimmung
einer Zahlungspflicht des Beklagten deckt, wird der Tatrichter die Ausgleichsklausel in dem Testament des Erblassers
auszulegen haben. Da der Erblasser beim Abfassen dieser
Klausel davon ausging, daß der Kläger das Restgrundstück
erben werde, diese offensichtlich wesentliche Grundlage
seiner Entschließung durch die Veräußerung des Grundstücks aber später entfiel, kommt eine ergänzende Auslegung in Betracht, die sich insbesondere damit wird befassen müssen, ob angenommen werden kann, für diesen Fall
solle nach dem hypothetischen Willen des Erblassers der
Erlös an die Stelle des Grundstücks treten. Dabei wird auch
zu beachten sein, inwieweit nach dem hypothetischen Willen des Erblassers zu berücksichtigen ist, daß die beiden
Schwestern in Gestalt der Wohnrechte — wenn auch mittelbar — unentgeltliche Vermögenszuwendungen erhalten
haben.
MittBayNot 1985 Heft 3
6. BGB § 883; HGB §§ 161 Abs. 2, 123 Abs. 2, 2 Abs. 1, 124
Abs. 1; GBVfG, § 15 Abs. 1 Buchst. b (Partielle Grundbuchfähigkeit der KG in Gründung)
Für eine Kommanditgesellschaft in Gründung kann eine Auf•
lassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen werden.
BayObLG, Beschluß vom 24.5.1985 — BReg. 2 Z 61/84 — mitgeteilt von Notar Hans Kleider, Nürnberg und Dr. Martin
Pfeuffer, Richter am BayObLG
Aus dem Tatbestand:
Die Beteiligten zu 1 bis 3 sind die Eigentümer eines Grundstücks. Mit
notariellem Vertrag vom 10.11.1983 verkauften sie das Grundstück an
die Beteiligte zu 4; gleichzeitig bewilligten sie die Eintragung einer
Auflassungsvormerkung. Die Beteiligte zu 4 war mit Vertrag vom
8.11.1983 errichtet worden, ist aber noch nicht im Handelsregister eingetragen.
Den Antrag auf Eintragung der Auflassungsvormerkung hat das
Grundbuchamt mit Zwischenverfügung vom 16.1.1984 beanstandet:
Es fehle der Nachweis, daß die Beteiligte zu 4 im Handelsregister eingetragen sei.
Die Erinnerung/Beschwerde der Beteiligten hat das Landgericht mit
Beschluß vom 16.5.1984 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die
weitere Beschwerde der Beteiligten.
Aus den Gründen:
1. Das Landgericht hat ausgeführt: Bei der Kommanditgesellschaft in Gründung, die ein Gewerbe nach § 2 HGB betreibe, gebe es keine Vorgesellschaft, auf die das Recht der
Kommanditgesellschaft anzuwenden sei, sondern eine eigenständige Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts. Die für
die GmbH in Gründung entwickelten Grundsätze seien deshalb nicht entsprechend anwendbar.
Im Gründungsstadium könne demnach nicht die KG in Gründung, sondern nur die Gesellschaft bürgerlichen Rechts
Rechte erwerben; Gläubigerin des Auflassungsanspruchs
sei deshalb die BGB-Gesellschaft.
2. Hiergegen wendet sich die weitere Beschwerde mit Erfolg.
Für eine Kommanditgesellschaft in Gründung kann eine
Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen werden.
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, daß
nach allgemeiner Meinung für die Kommanditgesellschaft
in Gründung das Recht der Gesellschaft bürgerlichen
Rechts maßgebend ist. Wenn - wie hier — die Kommanditgesellschaft kein Grundhandelsgewerbe i.S. des § 1 Abs. 2
HGB betreibt, entsteht die Kommanditgesellschaft mit Wirkung nach außen erst mit der Eintragung in das Handelsregister (§ 161 Abs. 2 i.V.m. § 123 Abs. 2, § 2 Abs. 1 HGB). Bis
dahin besteht — wovon die Vorinstanzen zu Recht ausgegangen sind — nach ganz überwiegender Auffassung eine
Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (vgl. BGHZ 63, 45/47 f.
[= MittBayNot 1975, 32 = DNotZ 1975, 224]; 69, 95/97 f.
[= MittBayNot 1977, 240]; BayObLG NJW 1984, 497/498
[= MittBayNot 1983, 222 = DNotZ 1984, 567] mit weit.
Nachw.).
Eine Kommanditgesellschaft kann unter ihrer Firma Rechte
erwerben (§ 161 Abs. 2, § 124 Abs. 1 HGB). Sie kann unter
ihrer Firma ins Grundbuch eingetragen werden (§ 15 Abs. 1
Buchst. b GBVfg). Für eine bürgerlich-rechtliche Gesellschaft gilt dies nicht. Sie hat keine Firma (vgl. § 17 Abs. 1
HGB). Die Rechte stehen den Gesellschaftern zur gesamten
Hand zu. Gläubiger eines mit Vormerkung zu sichernden
Auflassungsanspruchs sind die an dieser Gesellschaft beteiligten Personen in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit (vgl. MünchKomm BGB Rdnr. 110, Palandt BGB 44. Aufl.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

05.03.1985

Aktenzeichen:

IVa ZR 171/83

Erschienen in:

MittBayNot 1985, 119-121

Normen in Titel:

BGB §§ 2147, 315, 316, 328 ff.