BGH 13. Juni 1990
IV ZR 87/89
BGB § 2034 Abs. 1

Kein Vorkaufsrecht eines Miterben, der seinen Erbteil bereits verkauft hat

11. BGB § 2034 Abs. 1 (Kein Vorkaufsrecht eines Miterben,
der seinen Erbteil bereits verkauft hat)
Verkauft ein Miterbe seinen Erbteil an einen Dritten, dann
kann ein anderer Miterbe, der den Verkauf verhindern und
den verkauften Erbteil stattdessen einem.Vierten zuwenden
will und der den darauf gerichteten Anspruch bereits an
diesen veräußert hat, den Erbteil nicht mit Hilfe des Vorkaufsrechts aus § 2034 BGB beanspruchen; § 2034 Abs. 1
BGB greift in diesem Fall nicht ein.
BGH, Urteil vom 13.6. 1990 — IV ZR 87/89 — mitgeteilt von
D. Bundschuh, Vorsitzender Richter am BGH
Aus dem Tatbestand:
Die Parteien streiten um einen 1/4-Erbteil nach der Erblasserin T. K
Die Erbengemeinschaft nach T. K. (Erbengemeinschaft 1) bestand
zunächst aus vier Miterben, und zwar aus Alfons Sch. und Rudolf
Sch. zu je einem Drittel sowie aus den beiden damals noch minderjährigen Kindern des letzteren: Johanna und Oskar Sch. zu je einem
Sechstel. Alfons übertrug seinen Us-Erbteil im Jahre 1953 zur Hälfte
(_ 116 des Nachlasses 1) auf Rudolf und zu je 1/4 (= je 1/12 des Nachlasses 1) auf Johanna und Oskar, so daß sich rechnerisch folgende
Quoten ergaben: für Rudolf 1/2 sowie für Johanna und Oskar je 1/4.
Nach dem Tode von Rudolf Sch. im Jahre 1957 fiel dessen 1/2-Anteil
am Nachlaß 1 in den insoweit ungeteilten Nachlaß II, an dem
Johanna und Oskar je zur Hälfte beteiligt sind.
Johanna verkaufte ihren 1/4-Erbteil am Nachlaß 1 aufgrund notariellen Vertrages vom 16./27.10.1987 an den Beklagten und übertrug ihn
am 8.12.1987 auf diesen. Oskar übte sein Vorkaufsrecht gemäß
§ 2034 BGB durch Erklärung vom 7.12.1987 aus, die Johanna am
9.12.1987 zuging.
Am 7.12.1987 machte Oskar den Klägern ein notarielles Angebot
zum Kauf seiner Erbteile an den Nachlässen 1 und II. Dieses Angebot
nahmen die Kläger am 8.12.1987 in notarieller Form an. Mit Schreiben vom 15.12.1987 übte Johanna ihrerseits ihr Vorkaufsrecht wegen
dieses Kaufvertrages gegenüber Oskar aus.
Oskar „trat" seine Rechte aus der Ausübung seines Vorkaufsrechts
am 30.12.1987 an die Kläger „ab", und zwar „zur Einziehung mit der
Maßgabe, daß die Käufer (Kläger) die Rückübertragung des Erbanteils durch ... (den Beklagten) an ... Oskar . . . verlangen und .. .
durchsetzen können" sollten. Von diesen Rechten machen die Kläger
mit der vorliegenden Klage Gebrauch, indem sie beantragen, den
Beklagten zu verurteilen, den 1/4-Anteil an dem Nachlaß 1, den er von
Johanna erlangt hat, an Oskar zu den mit Johanna vereinbarten
Bedingungen zu übertragen. Landgericht und Oberlandesgericht
halten die Klage für begründet.
Die Revision des Beklagten hatte Erfolg; sie führte zur Abweisung
der Klage.
Aus den Gründen:
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, Oskar habe aufgrund des Verkaufs des 114-Miterbenanteils der Johanna an
den Beklagten vom 16./27.10.1987 ein gesetzliches Vorkaufsrecht erlangt. Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
1. Es ist zwar richtig, daß gemäß § 2034 Abs. 1 BGB ein gesetzliches Vorkaufsrecht besteht, wenn ein Miterbe seinen
Anteil am Nachlaß (ganz oder teilweise) verkauft. Dieses Vorkaufsrecht steht den übrigen Miterben zu und dient dem
Zweck, diese vor dem Eindringen unerwünschter Nichterben
in die Erbengemeinschaft (oder auch vor einer Verstärkung
der Beteiligung bereits eingedrungener Dritter) zu schützen
(BGHZ 86, 379, 380 [= DNotZ 1983, 628] und öfter).
,Ob ein Miterbe aber auch dann zum Vorkauf berechtigt ist,
wenn er selbst seinen (eigenen) Erbteil an einen, Dritten verkauft (wie hier Oskar am 7./8.12.1987), versteht sich nicht
von selbst. Immerhin erscheint es nicht unproblematisch,
einen Miterben, der selbst verkauft und vor dessen Verkauf
§ 2034 Abs. 1 BGB gerade schützen soll, trotzdem gleichzeitig zu den durch eben diese Bestimmung geschützten
„übrigen Erben" zu rechnen. Daß ein derartiges Verständnis
der Norm zu einem wenig sinnvollen Wettlauf der Interessenten führen und zu wechselseitiger Blockade von Vorkaufsrechten führen kann, läßt der vorliegende Fall anschaulich vor Augen treten. Allerdings hat der frühere IV. Zivilsenat
des Bundesgerichtshofes in einem unveröffentlichten Urteil
vom 19. 10.1955 (IV ZR 89/55 — S. 10 f. —; vgl. Johannsen,
WM 1970, 738, 746; Kregel in BGB-RGRK, 12.Aufl. §2034
Rdnr.) entschieden, daß ein Miterbe auch nach Verkauf und
Übertragung seines Miterbenanteils weiterhin durch § 2034
Abs. 1 BGB geschützt wird. Diese Rechtsprechung ist in
BGHZ 86, 379 nicht aufgegeben, sondern nur für einen Sonderfall eingeschränkt worden; das hat Hoegen in seiner Anmerkung LM BGB § 2034 Nr. 12 zutreffend hervorgehoben.
Ob an ihr im übrigen festzuhalten ist, braucht auch hier
nicht entschieden zu werden.
2. Nicht zugebilligt werden kann das von Oskar ausgeübte
Vorkaufsrecht nach der Auffassung des Senats nämlich
jedenfalls deswegen, weil Oskar ebenden 114-Erbteil Johannas, der den Gegenstand des Rechtsstreits bildet, in dem
Vertrag mit den Klägern vom 7./8. 12. 1987 vor dem Zugang
seiner Vorkaufserklärung am 9.12.1987 an diese verkauft
hat. Damit handelt es sich hier um einen Fall, indem ein Miterbe den Verkauf des Erbteils eines anderen Miterben an
einen Dritten verhindern will, um diesen Erbteil einem von
ihm bevorzugten Vierten zu verschaffen. Ein derartiges Vorgehen ist von dem Schutzzweck des § 2034 Abs. 1 BGB nicht
gedeckt. Es kann grundsätzlich nicht rechtlich anerkanntwerden. Insoweit ist die Vorschrift teleologisch zu reduzieren (vgl. auch Hoegen a.a.O.).
Allerdings hat der Bundesgerichtshof wiederholt die Auffassung vertreten (Urteil vom 27.10.1971 — IV ZR 223/69 LM
BGB § 2034 Nr.8 a. E.; Urteil vom 19.10.1955 a. a. 0. S. 21, 22),
daß es nicht darauf ankommen könne, wie der Vorkaufsberechtigte den begehrten Erbteil zu verwerten beabsichtige
oder voraussichtlich verwerten werde. Dem tritt der erkennende Senat in dem Sinne bei, daß ein Miterbe aus dem
Kreis der durch § 2234 Abs. 1 BGB Geschützten nicht schon
dann ausscheidet, wenn er bei Zugang der Vorkaufserklärung den betreffenden Erbteil selbst zu veräußern gedenkt
oder wenn eine derartige Entwicklung objektiv überwiegend
wahrscheinlich ist. Umstände dieser Art können auf eine
bloße Motivforschung hinauslaufen. Sie sind im allgemeinen nur schwer festzustellen und eignen sich daher nicht,
den Anwendungsbereich des § 2034 Abs. 1 BGB allgemein
abzugrenzen. Stattdessen stellt der Senat darauf ab, daß
Oskar sich durch den notariell beurkundeten Vertrag vom
7./8.12.1987 auf die Weiterübertragung des begehrten Erbteils an die Kläger bereits rechtlich bindend festgelegt hatte.
Seine am 9. 12.1987 zugegangene (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB)
Vorkaufserklärung konnte deshalb an diesem Tage nicht
mehr wirksam werden.
Soweit die vorliegende Entscheidung mit dem genannten
Urteil des Bundesgerichtshofes vom 19.10. 1955 nicht vereinbar ist, hält der Senat an der früheren Auffassung nicht mehr
fest.
MittBayNot 1990 Heft 5 - 315


Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

13.06.1990

Aktenzeichen:

IV ZR 87/89

Erschienen in:

MittBayNot 1990, 315
MittRhNotK 1991, 21

Normen in Titel:

BGB § 2034 Abs. 1