LG Traunstein 07. April 2004
4 T 1365/04
BGB §§ 1804, 1908 i

Sittliche Pflicht zur Schenkung eines Betreuten

Rdnr. 1). Dass ein solcher Übergabevertrag zugleich eine sog.
vorweggenommene Erbfolge enthält (vgl. BGH, FamRZ
1990, 1083; Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Aufl. 2001, § 25 XI
1), steht der Qualifizierung als Aussteuer und damit der
grundsätzlichen Genehmigungsfähigkeit – entgegen der Annahme des Notariats – nicht zwingend entgegen. Es ist anerkannt, dass die in Übergabeverträgen vom Übernehmer zugesagten „Gegenleistungen“ in Gestalt von Wohnrecht sowie
Versorgung und Pflege im Alter dem Vertrag im Ansatz den
Charakter der Unentgeltlichkeit nehmen (BGH, NJW 1995,
1349 = MDR 1995, 500 = FamRZ 1995, 479; BayObLGZ
1996,20 = DNotZ 1996, 647 = MittBayNot 1996, 195; OLG
Hamm, FamRZ 1987,751; vgl. auch MünchKomm/Schwab,
BGB, 4. Aufl. 2002, § 1908 Rdnr. 4; Soergel/Zimmermann,
a. a. O., Rdnr. 5).
Nur dann, wenn die zugesagte Gegenleistung des Übernehmers deutlich hinter den absehbaren Bedürfnissen des Übergebers (und seiner unterhaltsberechtigten Ehefrau) zurückbleibt, wenn also das Maß der Angemessenheit i. S. v. § 1624
Abs. 1 BGB überschritten wird, kann Schenkungsrecht und
damit das Verbot des § 1804 BGB zur Anwendung kommen
(BGH und BayObLG, a. a. O.; OLG Hamm, NJW-RR 1992,
1170; Senat, a. a. O.; vgl. auch Böhmer, MittBayNot 1996,
405 ff.). Bei der Prüfung der Angemessenheit ist Raum, den
mutmaßlichen Willen des Betreuten (vgl. § 1908 i Abs. 2
BGB; OLG Karlsruhe, Die Justiz 2001, 29) und seine erkennbaren Interessen zu berücksichtigen.
Es ist indessen rechtlich verfehlt, wegen des Schenkungsverbots der §§ 1908 i, 1804 BGB an Übergabeverträge so hohe
Anforderungen zu stellen, dass für die Anwendung der
§§ 1908, 1624 BGB kein Raum bliebt und im Ergebnis ein
Betreuter von ihrem Abschluss generell ausgeschlossen ist.
Kommt im Ansatz eine Genehmigung des Übergabevertrags
in Betracht, darf die erforderliche Bestellung eines Ergänzungsbetreuers nicht abgelehnt werden.
d) Die Überprüfung des vorliegenden Vertrags darauf, ob
ein Verstoß gegen das Übermaßverbot des § 1624 BGB vorliegt oder Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung,
rechtfertigt im Ergebnis die Ansicht der Rechtsbeschwerde,
dass hier – unter Berücksichtigung des mutmaßlichen Willens
des Betreuten – ein voll entgeltlicher Vertrag angenommen
werden kann, so dass kein Raum für die Annahme einer
Schenkung, auch nicht einer gemischten Schenkung ist. Zu
Unrecht hat die Kammer die Ausführungen des Senats im
Beschluss vom 4.10.2000 (BWNotZ 2001, 64) auf den vorliegenden Fall übertragen, obwohl sich die Ausgestaltung der
Verträge erheblich unterscheidet und die Vertragsteile hier
den Anforderungen der Senatsrechtsprechung Rechnung getragen haben. Den oben genannten Fällen, in denen eine
Nichtigkeit der Vermögensübertragung bejaht wurde, liegen
andere Sachverhalte zugrunde.
Nachdem beide Vorinstanzen ausdrücklich festgestellt haben,
dass die Hofübergabe mit dem Ziel der Weiterführung des Betriebes sowohl dem übereinstimmenden Wunsch der Beteiligten als auch den üblichen Lebensverhältnissen in der Landwirtschaft entspricht und auch ohne Betreuungsbedürftigkeit
des Betroffenen anstünde, greifen die Bedenken der Kammer
gegen die Ausgewogenheit des Vertrages nicht durch.
Die in § 2 des Vertrages aufgeführten Gegenleistungen des
Übernehmers mit Wohnungsrecht, Garagennutzungsrecht,
Verköstigung und Pflegeleistungen bis zum Tode des Betreuten und der Betreuerin sind so weitgehend, dass dem Senat –
anders als im Falle der Entscheidung vom 4.10.2000 (a. a. O.)
– eine gravierende Lücke zum Nachteil des Übergebers nicht
ersichtlich ist. Von Bedeutung ist insbesondere, dass der
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Übernehmer sich für den Fall, dass eine Versorgung und
Pflege seiner Eltern auf dem Hof nicht mehr möglich oder zumutbar ist, verpflichtet hat, die Kosten einer Heimunterbringung ohne Einschränkungen zu übernehmen. Hinzu kommt,
dass sich der Übernehmer zur Sicherung derAnsprüche seiner
Eltern der sofortigen Zwangsvollstreckung in das gesamte
Vermögen unterworfen hat, so dass auch im Falle von Meinungsverschiedenheiten über den Umfang der Leistungspflicht
das wirtschaftliche Risiko eines Rechtsstreits dem Sohn zugewiesen ist. Schließlich ist auch für die Sicherung des Leibgedings im Grundbuch in einer Weise gesorgt, dass eine Gefährdung der berechtigten Interessen der Eltern fern liegt.
Soweit einzelne Waldgrundstücke aus dem Vermögen des Betreuten auf die beiden Geschwister des Übernehmers übergehen sollen, führt dies ebenfalls nicht notwendig zur Annahme
einer (gemischten) Schenkung – wie das Vormundschaftsgericht gemeint hat; vielmehr ist auch insoweit der wirtschaftliche Zusammenhang mit dem Übergabevertrag bestimmend,
weil erst durch diese Abfindung von Erb- bzw. Pflichtteilsansprüchen die Hofübernahme langfristig gesichert ist. Hinzu
kommt, dass dem Übergeber an einem Teil dieser Grundstücke ein weitgehendes Nießbrauchsrecht (bis zur völligen
Abholzung) zusteht, so dass dem Übergeber und seiner Ehefrau für den Notfall noch eine – vom Übernehmer unabhängige – Einnahmequelle gesichert ist.
Die gegenteilige Bewertung des Übergabevertrags durch die
Vorinstanzen hätte zur Folge, dass der Betreute im Ergebnis
generell von der Möglichkeit ausgeschlossen wäre, den Bestand
seines Hofes durch Übertragung auf die nächste Generation
unter Abdeckung des Lebensbedarfs im Alter zu sichern.
e) Somit ist der vorliegende Übergabevertrag unter Berücksichtigung der gesamten aus den Akten ersichtlichen Umstände nicht von vornherein als „nicht genehmigungsfähig“
einzustufen, so dass dem Antrag auf Bestellung eines Ergänzungsbetreuers aus Rechtsgründen stattzugeben ist.
Soweit das Vormundschaftsgericht aufgrund seiner breiten
Erfahrung mit derartigen Übergabeverträgen gleichwohl noch
ernsthafte Bedenken gegen einzelne Vertragsbestimmungen
haben sollte, ist es ihm unbenommen, nach Bestellung des
Ergänzungsbetreuers im Rahmen des nachfolgenden Genehmigungsverfahrens auf eine punktuelle Änderung des Vertrags hinzuwirken.
Hinweis der Schriftleitung:
Siehe hierzu auch die nachfolgende Entscheidung des LG
Traunstein und dieAnmerkung von Böhmer, MittBayNot 2005,
232 (in diesem Heft).
6. BGB §§ 1804, 1908 i (Sittliche Pflicht zur Schenkung
eines Betreuten)
Es besteht ein praktisches Bedürfnis, eine sittliche Pflicht
zur Schenkung eines Betreuten zu bejahen, wenn die Zuwendung aus Mitteln eines Betreuten unter Berücksichtigung seiner materiellen und immateriellen Belange, wie
beispielsweise zur Zukunftssicherung, letztlich in seinem
Interesse liegt. (Leitsatz des Rezensenten)
LG Traunstein, Beschluss vom 7.4.2004, 4 T 1365/04; mitgeteilt von Andrea Titz, Staatsanwältin, LG München II
Das Amtsgericht hat für den Betroffenen Betreuung mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, VermöRechtsprechung
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genssorge, Vertretung gegenüber Dritten und Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post angeordnet und den Sohn des Betroffenen
zum Betreuer bestellt.
Im April 2002 beantragte der Betreuer die Bestellung eines neutralen
Ergänzungsbetreuers, nachdem zwischen dem Betreuer, dem Betroffenen und der Mutter des Betreuers und Ehefrau des Betroffenen geplant war, den landwirtschaftlichen Betrieb auf den Betreuer zu übertragen. Mit Beschluss vom 7.8.2002 ordnete das Amtsgericht daraufhin Ergänzungsbetreuung mit dem Aufgabenkreis „Abschluss eines
Überlassungsvertrags mit Gegenleistungen und Auflassung des Anwesens des Betreuten und seiner Ehefrau an den Betreuer“ an und bestellte Rechtsanwalt B zum Ergänzungsbetreuer. Mit Beschluss vom
13.11.2002 wurde der Aufgabenkreis des Ergänzungsbetreuers auch
auf den Aufgabenkreis „Annahme eines Pflichtteilsverzichts“ erweitert. Nach weiteren Planungen, Grundstücke des Betroffenen und seiner Ehefrau auch an die vier Töchter des Betroffenen zu übergeben,
wurde mit Beschluss vom 16.5.2003 als weiterer Aufgabenkreis des
Ergänzungsbetreuers „Grundstücksübergabe und Auflassung an die
Töchter des Betreuten“ angeordnet.
Der beurkundende Notar legte die beiden Übergabeverträge zwischen
dem Betroffenen, vertreten durch den Ergänzungsbetreuer, seiner Ehefrau und dem Sohn und Betreuer bzw. den vier Töchtern des Betroffenen zur Erteilung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung
vor. Mit Schriftsatz vom 12.1.2004 beantragte sodann der Ergänzungsbetreuer die Genehmigung der vorgelegten Übergabeverträge.
Das Amtsgericht bestellte daraufhin einen Verfahrenspfleger des
Betroffenen. Dieser erhob Einwände gegen die Übergabeverträge,
wobei er sich zum einen auf die nach seiner Auffassung fehlende
Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung bezog. Zum anderen verwies er darauf, dass Schenkungsverträge in Betreuungsverhältnissen grundsätzlich nichtig seien.
Der Rechtspfleger wies die Anträge auf vormundschaftsgerichtliche
Genehmigung zurück. Zur Begründung führte er aus, gem. §§ 1908 i
Abs. 2 Satz 1, 1804 BGB bestehe in Betreuungsverfahren Schenkungsverbot. Eine Ausnahme gem. § 1804 Satz 2 BGB sei nicht einschlägig, so dass die Schenkungen nichtig und daher nicht genehmigungsfähig seien. Gegen diesen Beschluss hat der Ergänzungsbetreuer Beschwerde eingelegt.
Aus den Gründen:
II.
(…)
2. Das Schenkungsverbot des § 1804 Satz 1 BGB ist nach
Auffassung der Kammer vorliegend nicht tangiert.
Gem. § 1804 Satz 1 BGB sind Schenkungen durch den
Vormund in Vertretung seines Mündels grundsätzlich nicht
möglich. Gem. § 1908 i Abs. 2 BGB ist § 1804 BGB auf Betreuungen, also auch auf den vorliegenden Fall, sinngemäß
anzuwenden. Das Schenkungsverbot gilt nach ganz allgemeiner Auffassung nicht nur für reine, sondern auch für gemischte Schenkungen (vgl. Palandt, § 1804 Rdnr. 1). Die notariellen Überlassungsverträge zwischen dem Betroffenen,
seiner Ehefrau und den Kindern stellen nach den Anforderungen der Rechtsprechung gemischte Schenkungen dar (vgl. für
Hofüberlassungsverträge unter gesetzlichen Erben BayObLGZ 96, 20), so dass das Schenkungsverbot des § 1804 Satz 1
BGB auch für sie gelten könnte.
Gleichwohl sind die geplanten Überlassungsverträge zur
Überzeugung des Gerichts gem. §§ 1908 i Abs. 2, 1804 Satz 2
BGB nicht von vorneherein unwirksam. Ausgenommen vom
Schenkungsverbot sind nämlich gem. § 1804 Satz 2 BGB
Schenkungen, durch die einer sittlichen Pflicht oder einer auf
den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen wird.
Einer sittlichen Pflicht entspricht eine Schenkung zum einen
immer dann, wenn sie in einem Fall erfolgt, in dem unter
Berücksichtigung von Vermögen und Lebensstellung der Beteiligten sowie ihrer persönlichen Beziehungen zueinander
das Ausbleiben einer Belohnung als sittlich anstößig erscheint
(vgl. Palandt, § 534 Rdnr. 2 m. w. N.). Im Rahmen des § 1804
Satz 2 BGB wird das Vorliegen einer sittlichen Pflicht jedoch
nach der obergerichtlichen Rechtsprechung bereits dann bejaht, wenn eine rechtsgeschäftliche Zuwendung aus Mitteln
eines Betroffenen unter Berücksichtigung seiner materiellen
und immateriellen Belange letztlich in seinem Interesse liegt
(vgl. OLG Hamm, FamRZ 1987, 751). Bei der Prüfung, ob
eine Schenkung sittlicher Pflicht entspricht, ist – soweit feststellbar – auch auf den Willen des Betreuten Rücksicht zu
nehmen (OLG Karlsruhe, NJW-RR 2000, 1313).
Dieses Abstellen auf den Willen und die materiellen und
immateriellen Belange des Betroffenen ist nach Auffassung
der Kammer auch sachgerecht. Denn anderenfalls würden
jedenfalls Schenkungen größeren Ausmaßes in Betreuungsfällen in einer Vielzahl der Fälle von vorneherein unmöglich
gemacht werden, da regelmäßig die Zuwendung von wertvollen Gegenständen das Ausmaß einer Schenkung übersteigen dürften, die noch als Ausfluss einer „sittlichen Pflicht“
angesehen werden kann. Betriebs- oder Hofübergaben wären
mithin schlechterdings unmöglich. Dies wäre aber nicht in
jedem Fall im Interesse der Betreuten. Gerade im ländlichen
Raum spielen Hofübergaben an ein Kind eine erhebliche
Rolle für die Fortführung landwirtschaftlicher Anwesen. Es
entspricht der Üblichkeit und der Sitte, dass der designierte
Hoferbe die Landwirtschaft noch zu Lebzeiten seiner Eltern
übernimmt, den landwirtschaftlichen Betrieb übertragen erhält und im Gegenzug dafür seinen Eltern ein Leibgeding mit
Wohn-, Versorgungs- und Pflegeleistungen auf der Hofstelle
einräumt. Solche Vertragskonstellationen immer dann auszuschließen, wenn einer der beiden – regelmäßig in Gütergemeinschaft lebenden – Elternteile aufgrund einer Erkrankung oder Alters unter Betreuung steht, hieße, die übliche
Nachfolgeregelung für landwirtschaftliche Betriebe unmöglich zu machen.
Es muss mithin vorliegend geprüft werden, ob die beiden
Übergabeverträge dem Willen und den materiellen und immateriellen Interessen des Betroffenen entsprechen. Dabei wird
auch zu prüfen sein, ob die vereinbarten Gegenleistungen des
Sohns und der Töchter an den Betroffenen ausreichen, um
ihn für die Zukunft unter Berücksichtigung der vorgesehenen
Naturalpflegeleistungen hinreichend zu sichern. Sofern dies
bejaht wird, wird die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung zu erteilen sein. Hierzu fehlen aber bislang noch jegliche Feststellungen des Amtsgerichts. Dieses hat die Genehmigung lediglich unter Hinweis auf das Schenkungsverbot
des § 1804 Satz 1 BGB abgelehnt. Die Kammer sah sich aus
diesem Grund gehindert, selbst in der Sache zu entscheiden
und hat die Sache daher zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Anmerkung:
Zum Beschluss des OLG Stuttgart vom 30.6.2004, 8 W 495/
03, MittBayNot 2005, 229 (in diesem Heft) sowie zum vorstehenden Beschluss des LG Traunstein vom 7.4.2004, 4 T
1365/04:
Die Praxis weicht vor unentgeltlichen Zuwendungen aus dem
Vermögen eines Betreuten vielfach wegen des Schenkungsverbots gemäß § 1908 i Abs. 2 BGB i. V. m. § 1804 BGB zurück. Die drohende Nichtigkeit des Vertrages, die auch durch
eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung nicht geheilt
werden kann (BayObLG, MittBayNot 1996, 432), hat abschreckende Wirkung. Dies ist vom Gesetzgeber durchaus gewollt, um den Bestand des Vermögens des Betreuten zu schützen. Die Beschlüsse der Vormundschaftsgerichte, über deren
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Rechtmäßigkeit das OLG Stuttgart und das LG Traunstein
zu entscheiden hatten, sind aktuelle Beispiele dafür. Auch die
vorsichtige Erweiterung der Schenkungsmöglichkeit durch
§ 1908 i Abs. 2 BGB erlaubt nur dann über das Übliche hinausgehende Gelegenheitsgeschenke, wenn sie dem Wunsch und
den Lebensverhältnissen des Betreuten entsprechen. Mehr gibt
die Vorschrift nicht her. Am grundsätzlichen Schenkungsverbot rüttelt diese Vorschrift nicht.
Dennoch besteht, wie das OLG Stuttgart und das LG Traunstein ganz zu Recht hervorheben, auch bei Betreuten ein erhebliches praktisches Bedürfnis für Vermögensübertragungen
auf die nächste Generation unter Deckung des Lebensbedarfs
des Betreuten im Alter. Das gilt nicht nur im landwirtschaftlichen Bereich. Das rechtliche Problem, diesem praktischen
Bedürfnis Rechnung zu tragen, lösen das LG Traunstein und
das OLG Stuttgart auf unterschiedliche Weise.
Dabei überzeugt die Lösung des LG Traunstein nicht. Das
Gericht legt den Begriff der „Pflichtschenkung“ in § 1804
Satz 2 BGB sehr weit aus – zu weit, denn es verlässt dabei den
Wortsinn der Regelung. Zwar wiederholt es zunächst die allgemein verwendete Definition, wonach eine Pflichtschenkung
dann vorliege, wenn unter Berücksichtigung von Vermögen,
Lebensstellung und persönlicher Beziehung der Beteiligten
zueinander das Ausbleiben einer Belohnung sittlich anstößig
wäre (vgl. auch BGH, NJW 2000, 3488). Im nächsten Schritt
will das Gericht jedoch unter Hinweis auf eine Entscheidung
OLG Hamm (FamRZ 1987, 751) eine sittliche Pflicht bereits
dann annehmen, wenn die Zuwendung unter Berücksichtigung
der materiellen und immateriellen Belange letztlich im Interesse des Zuwendenden liegt (dagegen BayObLG, Rpfleger
2003, 643, 650 f.). Die Auffassung des OLG Hamm ist jedoch
dogmatisch unscharf und zu Recht vereinzelt geblieben, denn
die Frage, ob die Schenkung sittlich geboten ist, muss auch
aus Sicht des Leistungsempfängers und darf nicht allein aus
Sicht des Schenkers beantwortet werden. Es besteht keine
sittliche Pflicht, wirtschaftlich vernünftige Geschäfte vorzunehmen – auch nicht etwa zum Steuernsparen (BayObLG,
NJW-RR 1997, 452).
Offenbar wird die Unhaltbarkeit der Begründung des LG
Traunstein, wo es ausführt, es entspreche „der Üblichkeit und
der Sitte“, dass der designierte Hoferbe die Landwirtschaft
noch zu Lebzeiten der Eltern gegen Versorgungsleistungen
übernehme. Denn hier wird das Wort „Sitte“ nicht im Sinne
eines moralischen Anspruchs, sondern im Sinne von „Übung“
verwendet. § 1804 Satz 2 BGB meint aber die moralische
Wertung und spricht deshalb auch nicht von „Sitte“, sondern
von „sittlicher Pflicht“.
Dass das Landgericht auf § 1908 BGB gar nicht eingeht, lässt
vermuten, dass diese Vorschrift übersehen wurde.
Das OLG Stuttgart schlägt demgegenüber den richtigen Weg
ein, um Vermögensübertragungen im Rahmen vorweggenommener Erbfolge zur Wirksamkeit zu verhelfen. Es legt den Begriff der „angemessenen Ausstattung“ in §§ 1624, 1908 BGB
großzügig aus. Dass Ausstattungen keine – verbotenen –
Schenkungen i. S. d. § 1804 BGB sind, ergibt sich aus dem
Gesetz selbst (§ 1908 BGB). Der Wortlaut des Gesetzes wird
nicht überstrapaziert. Und der Schutz des Vermögens des Betreuten wird durch das in § 1908 BGB verankerte Erfordernis
einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung ausreichend
gewahrt.
Zu Recht beurteilt das OLG den Begriff der Angemessenheit
einer Ausstattung gemäß § 1624 BGB nicht alleine danach,
was den Eltern nach Zuwendung der Ausstattung zur Lebensführung noch verbleibt (so etwa RGZ 141, 358, 359 f., ebenso
Bürgerliches Recht
noch OLG Stuttgart, BWNotZ 1997, 147 ff. m. Anm. Ziegler,
siehe auch BayObLG, Rpfleger 2003, 649, 650; Palandt/
Diederichsen, BGB, 64. Aufl., § 1604 BGB Rdnr. 3). Vielmehr stellt das Gericht bei Übergaben im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zutreffend auch darauf ab, ob die dem
Betreuten anlässlich der Übergabe zugewendeten Leistungen
und vorbehaltenen Rechte dessen Versorgung auf absehbare
Zeit im erforderlichen Umfang sichern. Denn die Angemessenheit beurteilt sich in erster Linie aus dem Blickwinkel des
Zuwendenden und macht seine Vermögenssituation vor und
nach der Zuwendung zum Maßstab.
Das schafft erheblichen Gestaltungsspielraum zur Vornahme
von Übertragungen durch den Betreuten. Durch Schaffung
eines Bündels von Rechten und Rechtspositionen für den
Übergeber kann eine Vermögensübertragung aus dem Bereich
der verbotenen Schenkungen gemäß § 1804 BGB in den
Bereich der (wenn auch genehmigungsbedürftigen, aber zulässigen) Ausstattungen gemäß § 1908 BGB gezogen werden.
Dies gilt nicht nur für die klassischen Übergaberechte wie
Wohnungsrecht oder Wart und Pflege. Das OLG honoriert
auch, dass Zwangsvollstreckungsunterwerfungen aufgenommen und die Rechte des Übergebers grundbuchlich gesichert
werden. Großzügig handhabt das Gericht zudem Leistungen
an weichende Erben, soweit sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem Übergabevertrag stehen. So kann nunmehr
auch die Übertragung des im Wesentlichen ganzen Vermögens des Betreuten als angemessene Ausstattung vom Betreuer vorgenommen werden, wenn dabei die Interessen des
Betreuten an einer den Vermögensverhältnissen entsprechenden und möglichst umfassenden Versorgung gewahrt werden.
Dabei argumentiert das OLG zunächst richtig, dass es für die
Frage, ob eine genehmigungsfähige angemessene Ausstattung vorliegt, nicht darauf ankommt, ob es sich um eine vorweggenommene Erbfolge handelt. Die Angemessenheit der
Ausstattung bestimmt sich auch nicht danach, ob die vorbehaltenen Rechte und Gegenleistungen des Erwerbers hinter
dem Wert der Zuwendung zurückbleiben, sondern ob sie „hinter den absehbaren Bedürfnissen des Übergebers“ zurückbleiben (Ziff. II 2 c) der Entscheidungsgründe).
Verfehlt ist jedoch, dass das OLG dann darauf abstellt, dass
Leistungen und Gegenleistungen ausgewogen sein müssen,
damit ein vollentgeltliches Geschäft und damit keine (auch
nicht gemischte) verbotene Schenkung gemäß § 1804 BGB
vorliegt (Ziff. II 2 d) der Entscheidungsgründe). Eine angemessene Ausstattung liegt nicht nur dann vor, wenn sich Leistung und Gegenleistung wertmäßig voll entsprechen, sondern
es genügt, wenn die Leistungen und Rechte, die der Übergeber
erhält, seine Altersversorgung entsprechend den konkreten
Vermögensverhältnissen möglichst umfassend absichern. Dies
kann, muss aber nicht, zu einer Gleichwertigkeit von Leistung
und Gegenleistung führen. Keine Ausstattung liegt allerdings
nach Auffassung des BayObLG (Rpfleger 2003, 649 ff.) vor,
wenn die Übertragung lediglich dazu dient, der Familie des
Betreuten das von diesem ererbte Anwesen zu erhalten.
Ausstattungen sind unentgeltliche Zuwendungen (Bamberger/Roth/Müller, BGB, 2003, § 1908 i BGB Rdnr. 6), aber
eben keine Schenkungen, sondern haben eine familienrechtliche causa sui generis (Sailer, NotBZ 2002, 81; Kerscher,
ZEV 1997, 354). Auch der Vorbehalt von Rechten durch den
Übergeber und die Gewährung von Gegenleistungen nimmt
der Ausstattung regelmäßig nicht ihren Charakter als (gemischte) unentgeltliche Zuwendung. Während allerdings eine
Schenkung den Zweck hat, ohne Gegenleistung das Vermögen
des Beschenkten zu mehren, erfolgt die Ausstattung mit
Rücksicht auf die Verheiratung oder auf die Erlangung einer
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02.05.2005
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selbständigen Lebensstellung oder dient zur Begründung oder
zur Erhaltung der persönlichen und der erwerbswirtschaftlichen Stellung. Eine sittliche Pflicht zur Leistung von Ausstattung, von der Kerscher (ZEV 1997, 354, 355) ausgeht,
wird es nicht geben, auch nicht nach Beseitigung des Aussteueranspruchs nach §§ 1620–1623 a BGB durch das Gleichberechtigungsgesetz von 1957 (vgl. Staudinger/Coester, § 1624
BGB Rdnr. 4), da sie dann regelmäßig Pflichtschenkungen
gemäß § 1804 Satz 2 BGB wären und § 1908 BGB unsinnig.
Unentgeltlich heißt also nicht notwendig schenkweise. Das
gilt nicht nur bei der Unterscheidung zwischen Schenkung
und Ausstattung, sondern etwa auch bei der rechtlichen Qualifikation ehebedingter Zuwendungen (vgl. Jäger, DNotZ 1991,
431; Tiedtke, JZ 1992, 334). Denn auch dort liegt der vorrangige Zweck nicht in der Vermehrung des Vermögens des anderen Ehegatten, sondern die Zuwendung erfolgt im Hinblick
auf die eheliche Lebensführung der Ehegatten und die von
ihnen geleisteten Beiträge zum Unterhalt der Familie, ohne
dass eine Gegenleistung versprochen oder erbracht wird (z. B.
BGH, NJW 1988, 962, 964; 1990, 386, 387; instruktiv insofern OLG Frankfurt, FamRZ 1986, 576; ähnlich BayObLGZ
1996, 118).
Fadenscheinig ist der Versuch von Holzhauer (FamRZ 2000,
1066), den Anwendungsbereich des § 1908 BGB kleinzureden, um dann zu einer Lockerung des Schenkungsverbots
über § 1908 i Abs. 2 Satz 1 BGB zu gelangen, die allerdings
den Wortlaut des Gesetzes verlässt und deshalb mit einer verfassungsrechtlichen Hilfsargumentation gerettet werden soll:
§ 1908 BGB braucht das Schenkungsverbot nicht zu überwinden. Für angemessene Ausstattungen gilt es gerade nicht.
Und auch sonst ist die Argumentation von Holzhauer begrifflich unscharf, da er die Bedeutungen von „unentgeltlich“ und
„schenkweise“ vermengt.
Der Beschluss des OLG Stuttgart weist den richtigen Weg.
Die Entscheidung kann jedoch nicht die Unsicherheit beseitigen, dass trotz vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung
die Grenze zur unangemessenen Ausstattung überschritten
wird und damit eine verbotene Schenkung vorliegt. Da diese
Einzelfallbeurteilung verbindlich letztlich erst vor Gericht
geklärt werden kann, ist eine vorsichtige Vertragsgestaltung
geboten. Auch droht dann vielfach Gesamtnichtigkeit: Die
Bestimmung des § 1624 Abs. 1 BGB unterwirft zwar unangemessene Ausstattungen nur „insoweit“ dem Schenkungsrecht
(und damit dem Schenkungsverbot), als sie nach den Umständen des Einzelfalls überhöht sind (vgl. Bamberger/Roth/
Enders, § 1624 BGB Rdnr. 5; Sailer, NotBZ 2002, 81, 82). Da
aber Übertragungen im Rahmen der vorweggenommenen
Erbfolge regelmäßig unteilbare Leistungen des Veräußerers
betreffen und weitere Gegenleistungen zur Herstellung der
Angemessenheit nicht konstruiert werden können, wird das
Überschreiten der Angemessenheitsgrenze regelmäßig über
§ 139 BGB zur Gesamtnichtigkeit führen.
Nach wie vor gilt, dass es wünschenswert wäre, diese gefährliche Gratwanderung für den Betreuer dadurch de lege ferenda
zu beseitigen, dass unentgeltliche Zuwendungen, die über
Pflicht- und Anstandsschenkungen hinausgehen, allgemein
vom Vormundschaftsgericht genehmigt werden können (vgl.
Böhmer, MittBayNot 1996, 405, 410). Bis dahin bleibt nur,
den Beteiligten im Vorfeld die Erteilung einer Vorsorgevollmacht vorzuschlagen; hier stellt sich das Problem einer unzulässigen Schenkung regelmäßig erst an der Grenze zum
Vollmachtsmissbrauch.
Notar Dr. Martin Böhmer, LL. M. (Berkeley), Schwabach
MittBayNot 3/2005
7. BGB § 1821 Abs. 1 Nr. 4, 5 (Vormundschaftsgerichtliche
Genehmigung bei Überlassung an Minderjährigen mit Rückforderungsvorbehalt)
Ein bereicherungsrechtlich ausgestaltetes Rückforderungsrecht anlässlich der Überlassung eines Grundstücks an
einen Minderjährigen führt nicht dazu, dass der Vertrag
nach § 1821 Abs. 1 Nr. 4 BGB genehmigungsbedürftig
wird. (Leitsatz des Einsenders)
LG München II, Beschluss vom 15.11.2004, 6 T 5313/04;
eingesandt von Notar Dr. Gerhard Brandmüller, Fürstenfeldbruck
Aus den Gründen:
I.
Mit notariellem Überlassungsvertrag überließ die als „Veräußerer“ bezeichnete Beteiligte zu 1) der Beteiligten zu 2),
ihrer Tochter, Grundbesitz zum Alleineigentum.
In Ziffer III. 4 des notariellen Vertrages ist das Rückforderungsrecht wie folgt geregelt: „Der Veräußerer behält sich vor,
den Vertragsgegenstand vom Erwerber zurückzufordern,
wenn einer der nachstehend aufgeführten Umstände zu seinen
Lebzeiten eintritt:
– Der Erwerber verstößt gegen das vorstehend vereinbarte
Verfügungsverbot.
– Die Zwangsversteigerung oder die Zwangsverwaltung des
Vertragsgegenstandes wird angeordnet.
– Über das Vermögen des Erwerbers wird das Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung wird mangels Masse abgelehnt.
– Der Erwerber stirbt vor dem Veräußerer.
(...)
Der Anspruch auf Rückübertragung des Vertragsgegenstandes
steht nur dem Veräußerer zu, er ist nicht übertragbar und nur
vererblich, wenn er von ihm zu Lebzeiten schriftlich geltend
gemacht worden ist. (...)“
Ziffer III. 5 des Vertrags enthält folgende Regelung:
„(...) Nach dem Tode des Veräußerers gelten die Verfügungsbeschränkungen gegenüber dem heute miterschienenen Ehegatten des Veräußerers und ihm steht in entsprechender Anwendung vorstehender Bestimmungen das Recht zu, Übereignung des Vertragsgegenstandes an sich zu verlangen, wenn
einer der oben genannten Rückforderungsfälle eintritt.
Der Übereignungsanspruch des Ehegatten ist durch Eintragung einer Vormerkung zu sichern.“
In Ziffer IX des notariellen Vertrages waren sich die Beteiligte
zu 1) und die Beteiligte zu 2), vertreten durch den Ergänzungspfleger, über den Eigentumsübergang einig und bewilligten und beantragten die Eigentumsumschreibung im
Grundbuch. Der Vertragsgegenstand ist derzeitig vermietet.
Das Mietverhältnis ist bei Eintritt des Nießbrauchs von der
Beteiligten zu 2) zu übernehmen. Die Beteiligten stellten beim
Grundbuchamt Antrag auf endgültigen Vollzug im Grundbuch
und Übersendung einer beglaubigten Abschrift des notariellen
Überlassungsvertrags. Das Grundbuchamt wies darauf hin,
dass der beantragten Eintragung die fehlende vormundschaftsgerichtliche Genehmigung entgegenstehe. Für die hier von
der Beteiligten zu 2) im notariellen Vertrag eingegangene
Rückübertragungsverpflichtung des Grundbesitzes sei im Gesetz eine Genehmigungspflicht des Vormundschaftsgerichts
nach § 1821 Abs. 1 Nr. 4 BGB vorgesehen. Gegen diese Zwischenverfügung legten die Beteiligten Beschwerde ein, der
das Erstgericht nicht abhalf. Das Grundbuchamt wies ergän

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

LG Traunstein

Erscheinungsdatum:

07.04.2004

Aktenzeichen:

4 T 1365/04

Rechtsgebiete:

Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)

Erschienen in:

MittBayNot 2005, 231-234

Normen in Titel:

BGB §§ 1804, 1908 i