Nutzungen bei Erwerb ehemals volkseigenen Grundstücks
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Dokumentnummer: 5zr11500
letzte Aktualisierung: 7. November 2001
die Verfügung einer Stadt oder Gemeinde erwirbt, die nach § 8 Abs. 1 Satz 1
Buchst. a VZOG gegen den Rechtsnachfolger in das Volkseigentum wirksam ist, hat
die Nutzungen aus dem erworbenen Grundstück auch dann nicht herauszugeben,
wenn der Anspruch aus
BGH, Urteil v. 21. September 2001 - V ZR 115/00 - OLG Dresden
LG Chemnitz
-2Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. Juli 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter
Schneider, Dr. Klein, Dr. Lemke und Dr. Gaier
für Recht erkannt:
I. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 21. März 2000 unter
Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Anspruch der Klägerin
auf
Erstattung
ihrer
Zahlungen
für
den
Zeitraum
vom
25. August 1992 bis zum 30. Juni 1995 dem Grunde nach für
gerechtfertigt erklärt worden ist.
Auch in diesem Umfang wird die Berufung der Klägerin gegen
das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom
30. Juni 1999 zurückgewiesen.
II. Auf die Anschlußrevision der Klägerin wird das Berufungsurteil
aufgehoben, soweit über die von der Klägerin für den Zeitraum
vom 3. Oktober 1990 bis zum 21. Juni 1992 geltend gemachten
Ansprüche zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.
Insoweit wird der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Nutzungen, die seit dem 3. Oktober 1990 aus
ehemals volkseigenen Grundstücken gezogen worden sind.
Die Grundstücke P.-Straße und H.-Straße (im folgenden: Grundstücke)
in F./S. (im folgenden: Stadt) waren früher Eigentum der C.- und P. AG. Auf
ihnen steht ein Wohn- und Geschäftshaus. 1951 wurden die Grundstücke in
Volkseigentum überführt. Als Rechtsträger wurde der Rat der Stadt in das
Grundbuch eingetragen. Die Verwaltung der Grundstücke erfolgte durch den
VEB G. (im folgenden VEB). Seit 1973 nutzte die klagende Sparkasse den überwiegenden Teil des Gebäudes aufgrund entgeltlicher Nutzungsverträge mit
dem VEB. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands führte die Stadt die bis
zum 3. Oktober 1990 von dem VEB wahrgenommenen Aufgaben im Rahmen
eines Eigenbetriebs fort.
Am 19. Juni 1991 beantragte die Klägerin festzustellen, daß sie gemäß
Art. 21 Abs. 1, Abs. 2 EV Eigentümerin der Grundstücke sei. Diesem Antrag
gab der Präsident der Oberfinanzdirektion C. durch Bescheid vom 14. Juli 1992,
bestandskräftig seit dem 18. Juli 1996, statt. Am 4. Juni 1992 beschloß die
Stadt, den Eigenbetrieb gemäß
wurde am 22. Juni 1992 beurkundet. Nach der Anlage zu der Erklärung sollte
das Eigentum an den Grundstücken auf die Beklagte übergehen. Am 25. August 1992 wurde die Beklagte in das Handelsregister eingetragen.
Im Dezember 1995 einigten sich die Parteien und die Stadt darauf, das
Eigentum an den Grundstücken nach
zu lassen. Durch Bescheid vom 22. Dezember 1995 ordnete der Präsident der
Oberfinanzdirektion das Eigentum an den Grundstücken darauf erneut der Klägerin zu. Auf sein Ersuchen wurde die Klägerin am 22. Januar 1996 in das
Grundbuch eingetragen.
Die Klägerin behauptet, sie habe für die Nutzung der Gebäude zwischen
dem 3. Oktober 1990 und dem 30. Juni 1995 insgesamt 760.441,93 DM an die
Beklagte bezahlt. Darüber hinaus habe die Beklagte aus der Vermietung der
Wohnungen in dem Gebäude an Dritte weitere Einnahmen erzielt. Mit der Klage
verlangt die Klägerin die Rückzahlung der von ihr gezahlten Beträge, Auskunft
über die von der Beklagten im Zeitraum vom 3. Oktober 1990 bis zum 18. Juli
1996 mit Dritten geschlossenen Mietverträge, deren Vorlage und im Wege der
Stufenklage Auskehrung der Mieterträge.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat
der Berufung der Klägerin teilweise stattgegeben. Es hat festgestellt, daß die
Forderung der Klägerin auf Rückzahlung der von ihr zwischen dem 22. Juni
1992 und dem 30. Juni 1995 gezahlten Mieten dem Grunde nach berechtigt ist,
und die Beklagte verurteilt, Auskunft darüber zu erteilen in welcher Höhe sie
zwischen dem 22. Juni 1992 und dem 22. Januar 1996 von Dritten für die Nutzung des Gebäudes Entgelt erzielt hat, welche Mietverträge sie mit Dritten während dieses Zeitraums geschlossen hat und die Mietverträge vorzulegen. Wegen des Betrags der Zahlungsansprüche hat es den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen.
Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Mit der Anschlußrevision verfolgt die Klägerin die für den
Zeitraum vom 3. Oktober 1990 bis zum 21. Juni 1992 geltend gemachten Ansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht meint, bis zur Gründung der Beklagten scheide ihre Haftung aus. Für die Zeit vom 22. Juni 1992 bis zum 22. Januar 1996 könne
die Klägerin dagegen gemäß
Deutschlands gemäß Art. 21 Abs. 1, 2 EV Eigentümerin der Grundstücke geworden sei und ihr Eigentum durch die Gründung der Beklagten und deren Eintragung in das Grundbuch nicht verloren habe. Die der Stadt durch § 6 Abs. 1
Satz 1 Buchst. a VZOG a.F.,
im Wege der Ausgliederung nach
Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im wesentlichen nicht
stand.
II.
Die Revision der Beklagten ist begründet, soweit das Berufungsgericht
den Rückzahlungsanspruch für den Zeitraum vom 25. August 1992 bis zum
30. Juni 1995 und die weiter geltend gemachten Ansprüche für den Zeitraum
vom 25. August 1992 bis zum 21. Dezember 1995 für begründet erachtet. Insoweit ist die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts zurückzuweisen. Im übrigen ist die Revision nicht begründet. Die Anschlußrevision
führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht, soweit über die von der Klägerin für den Zeitraum vom 3. Oktober 1990 bis zum 21. Juni 1992 geltend gemachten Ansprüche zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.
1. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990 wurde
die Klägerin Eigentümerin der Grundstücke. Dies steht aufgrund der bestandskräftigen Entscheidung des Oberfinanzpräsidenten vom 14. Juli 1992 fest. Die
Entscheidung bindet die Zivilgerichte (
1996, Rdn. 18). Soweit die Stadt den Besitz an den Grundstücken ausgeübt
und Nutzungen aus diesem gezogen hat, ist die Stadt als unentgeltliche Besitzerin der Grundstücke gemäß
gezogenen Nutzungen zu erstatten (
gehören die von der Klägerin und von Dritten gezahlten Mieten.
Für die aus der Nutzung der Grundstücke durch die Stadt resultierenden
Verbindlichkeiten haftet die Beklagte, sofern diese Verbindlichkeiten mit der Eintragung der Beklagten in das Handelsregister am 25. August 1992 gemäß § 58
Abs. 2,
daraus, daß die Grundstücke in das Verzeichnis gemäß § 52 Abs. 4 Nr. 1
UmwG a.F. aufgenommen wurden und nach der Umwandlungserklärung vom
22. Juni 1992 alle Aktiva und Passiva des Eigenbetriebs auf die Beklagte übergehen sollten. Zum Übergang der Verbindlichkeiten bedurfte es vielmehr der
Aufnahme der übergehenden Verbindlichkeiten in das der Umwandlungserklärung gemäß
Umwandlungsrecht, Umwandlungssteuerrecht,
2. Mit der Gründung der Beklagten durch die Beurkundung ihrer Satzung
am 22. Juni 1992 kam die Beklagte als Vorgesellschaft zustande. An dem Eigentum der Klägerin an den Grundstücken änderte sich hierdurch noch nichts.
Unstreitig übte die Vorgesellschaft fortan den Besitz an den Grundstücken aus.
Die Unentgeltlichkeit des Besitzes der Stadt ließ auch den Besitz der Vorgesellschaft unentgeltlich sein (vgl. Senatsurt. v. 24. August 1998, V ZR 22/97, VIZ
1998, 475, 476). Für den Zeitraum vom 22. Juni bis 24. August 1992 sind daher
die Voraussetzungen eines Anspruchs der Klägerin auf Nutzungsherausgabe
nach
erfüllt. Seit ihrer Eintragung in das Handelregister haftet die Beklagte für diese
Verbindlichkeiten (
ist die Revision nicht begründet.
3. Mit der Eintragung der Beklagten in das Handelsregister am
25. August 1992 ging gemäß
a.F., das Eigentum an den Grundstücken von der Klägerin auf die Beklagte über. Für die Dauer ihres Eigentums standen der Beklagten damit auch die Nutzungen aus den Grundstücken zu. Die Revision ist insoweit begründet.
a) Die den Städten und Gemeinden durch § 8 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a
VZOG eingeräumte Rechtsstellung eröffnete den Städten und Gemeinden die
Möglichkeit, im Rahmen der Umwandlung eines Eigenbetriebs nach § 58
UmwG a.F. auch solche Grundstücke auf eine aus der Umwandlung hervorgehende Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu übertragen, die nicht im Eigentum der Städte und Gemeinden standen, sofern an den Grundstücken bis zum
3. Oktober 1990 Volkseigentum bestanden hatte und die betroffene Stadt oder
Gemeinde oder ein Organ der Stadt oder Gemeinde als Rechtsträger des
Volkseigentums im Grundbuch eingetragen war. Diese Voraussetzungen sind
hier gegeben. Die Grundstücke standen bis zum 3. Oktober 1990 in Volkseigentum. Die Stadt war als Rechtsträger des Volkseigentums im Grundbuch eingetragen. Über die Grundstücke konnte die Stadt daher wirksam im Wege der
Umwandlung zugunsten der Beklagten verfügen (Senatsurt. v. 27. November
1998, V ZR 180/97,
Schmidt-Räntsch/Hiestand, RVI, Bd. II, Stand Januar 1998,
Messerschmidt,
224; a.M. Keller
VZOG in der Fassung des Wohnraummodernisierungssicherungsgesetzes
rückwirkend auch die Rechtsmacht verleiht, über nicht entstandenes Volkseigentum wirksam zu verfügen (vgl. Senatsurt. v. 19. Juli 1998, V ZR 356/96, WM
1998, 1832), stellt sich hier nicht. Die Grundstücke waren in die Übersicht des
Vermögens aufgenommen, das auf die Beklagte übergehen sollte (§§ 58
Abs. 2, 52 Abs. 4 Nr. 1 UmwG a.F.). Der Übergang wurde mit der Eintragung
der Beklagten in das Handelregister am 25. August 1992 wirksam (§§ 58
Abs. 2, 55 Abs. 1 UmwG a.F.).
b) Die durch
auf Erstattung der von dem Erwerber aus dem Eigentum gezogenen Nutzungen. Das Fehlen der Berechtigung des Verfügenden führt vielmehr dazu, daß
der in Zusammenhang mit der Verfügung erzielte Erlös, mindestens aber der
Verkehrswert des betroffenen Grundstücks dem Eigentümer zu erstatten ist (§ 8
Abs. 4 Satz 2 HS 2 VZOG). Die Klägerin konnte mithin von der Stadt Ersatz des
Wertes der Grundstücke verlangen. Der Anspruch entstand mit der Eintragung
der Beklagten in das Handelsregister am 25. August 1992, die den Verlust ihres
Eigentums an den Grundstücken bewirkte. Was die Beklagte mit den Grundstücken nach dem Erwerb des Eigentums tat und ob sie aus diesen Nutzungen
zog, war für die Klägerin ohne Bedeutung. Für einen Anspruch auf Auskehrung
der von der Beklagten für die Dauer ihres Eigentums an den Grundstücken gezogenen Nutzungen ist kein Raum.
c) Auch aus
nicht. Die Stadt konnte ihre in
zum Ersatz des Wertes der Grundstücke gemäß
1992 verlorene Eigentum wiederum verschaffte oder ihr Eigentum an anderen
Grundstücken beschaffte. Von der ersten Möglichkeit hat die Stadt in Übereinstimmung mit den Parteien Gebrauch gemacht. Ein gesetzlich begründeter Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte, die bis zur Rückübertragung des Eigentums gezogene Nutzungen zu erstatten, folgt hieraus nicht. Daß im Zusammenhang mit der Einigung zwischen der Stadt und den Parteien eine solche Verpflichtung der Beklagten begründet worden wäre, hat die Klägerin nicht
behauptet.
4. Der Übergang des Eigentums an den Grundstücken von der Beklagten
auf die Klägerin erfolgte unabhängig von ihrer Eintragung in das Grundbuch mit
Eintritt der Bestandskraft des Bescheids vom 22. Dezember 1995. Insoweit fehlt
es zwar an einer Feststellung durch das Berufungsgericht. Der Senat kann sie
aber selbst treffen, weil der Bescheid vom 22. Dezember 1995 vorgelegt worden ist. Er weist keinen Vorbehalt nach § 2 Abs. 1 Satz 5 HS 2 VZOG auf und
wurde daher gemäß § 2 Abs. 1 Satz 5 HS 1 VZOG mit seinem Erlaß bestandskräftig.
Ein Recht der Beklagten zum Besitz der Grundstücke bestand fortan
nicht mehr. Sie schuldet der Klägerin daher die Herausgabe der seit dem
22. Dezember 1995 gezogenen Nutzungen und Auskunft über diese, weil die
Klägerin in entschuldbarer Weise über den Umfang ihres Anspruches im
ungewissen ist und die Beklagte hierüber unschwer Auskunft erteilen kann. Insoweit hat die Revision keinen Erfolg.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:21.09.2001
Aktenzeichen:V ZR 115/00
Normen in Titel:VZOG § 8 Abs. 4, 5